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100 Objekte – An Archive of Feelings

13. Mai 2020 – 26. Oktober 2020

100 Objekte – An Archive of Feelings

Die Wunderkammer ist explodiert! Im Frühjahr und Sommer 2020 richtet das Schwule Museum das Scheinwerferlicht auf die eigene Sammlung. Nach dem Vorbild der Ausstellung „Weltgeschichte in 100 Objekten“ am British Museum möchten wir den Reichtum, die Vielfalt und die Faszination unserer Sammlung in 100 ausgewählten Objekten greifbar machen – stellvertretend für 1,5 Millionen Archivalien. Geordnet nach den Gefühlen Freude, Fürsorge, Begehren, Wut und Angst präsentieren wir eine kompromisslos queere Sammlung von Fotografien bis zu Travestiekostümen, von Dokumenten bis zu Gemälden, von Büchern aus dem Jahr 1629 bis zu Installationen aus der Gegenwart.

5 von 100 Objekten (SMU)

In den vergangenen Jahren gab es im Schwulen Museum eine dramatische Entwicklung hin zu einem vielfältigeren Programm. In diesem Jahr beginnen wir zu überlegen, wie sich diese Interventionen auf Sammlung ausgewirkt haben und auswirken werden – auf die Weise, wie wir unser Archiv sehen, verstehen und präsentieren. Wie können wir das, was traditionell eine sehr schwule Sammlung ist, queeren? Wie feiern wir unser Archiv und die große Bedeutung, die es für so viele in unserer Community hat, und wie können wir unsere Sammlung gleichzeitig kritisch denken und für neue Perspektiven öffnen?

Teddy Award für Werner Schroeter 2010 (Foto: Christian Savini; Entwurf: Ralf König)

„100 Objekte“ präsentiert unsere Sammlungen auf eine neue Art und Weise: nicht nach bestimmten Identitäten oder historischen Epochen geordnet, sondern nach Affekten – oder, emotionaler formuliert: nach Gefühlen. Wie fühlt sich ein Objekt an? Wie haben sich seine Schöpfer gefühlt? Sein ursprüngliches Publikum? Was spüren die Besucher*innen heute?

Following Yaoyi Kusama, Skulptur, (Foto: Christian Savini)

Affekte sind schwer zu lokalisieren. Wenn wir von ihnen sprechen, meinen wir Erlebnis- und Wissensformen, die unsere vertrauten Kategorien für die Speicherung von Geschichte und Erfahrungen übersteigen. Sie bringen das Bild von uns und unserer Geschichte in Bewegung.

Diese Fragen eröffnen neue Wege, Sammlungen zu verstehen – von neuen Kunstankäufen bis hin zu klassischen Berliner Tunten-Kostümen, und über alles, was dazwischen liegt. Die Sammlung des Schwulen Museums unter der Perspektive von Affekten zu präsentieren, soll Objekte zum Vorschein zu bringen und Verbindungen herzustellen, die einer chronologisch und hierarchisch geordneten Geschichtsschreibung sonst entwischten; das Schlaglicht auf Singularitäten werfen, über die sich neue Horizonte auftun; Zufälligkeiten entdecken, die eine andere Pforte zur Welt der queeren Dinge öffnen.

Photo of Front, Hamburg, by Rüdiger Trautsch (SMU)

Aber was sind die Affekte, Emotionen und Gefühle, mit denen sich die LGBTIQ+ Lebenswelten umfassen lassen? Gibt es womöglich so etwas wie ein „queeres Gefühl“, das für queeres Leben charakteristisch ist? Der Psychologe Silvan Tomkins hat einst den Vorschlag gemacht, menschliches Verhalten über acht oder neun Grundaffekte zusammenzufassen, positive wie negative. Ausgehend von dieser Idee, organisieren wir diese Ausstellung auf fünf Pfaden, die sich kreuzen: Begehren, Freude, Fürsorge, Wut und Angst.

Red Rubber Road (Foto: Christian Savini)

Dass wir uns Objekten affektiv nähern, heißt auch: Wir bleiben für Überraschungen offen, für die Geschichten, die noch nicht aufgeschrieben sind. Für die Ausstellung „100 Objekte“ bedeutet das, dass diese Präsentation queerer Geschichte und Kunst notwendigerweise unvollständig sein muss, sie ist ein Experiment. Und eine Einladung an das Publikum, queere Geschichte in ihrer Lebendigkeit zu erfahren, sie umzuschreiben und weiterzudenken.

Transi Traum Shoes from Toni Transit (Foto: Christian Savini)

Kuratoren: Ben Miller & Dr. Peter Rehberg

Projektmanagement: Justus Heitzelmann

Projektassistenz: Ralf Hupke

Praktikant: Christian Savini

Licht Design: Sofia (Lola) Tseytlin und Maya Guttmann

Drummer Magazine, SMU (Foto: Christian Savini)