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16 Rippen – Internationale Künstlerinnen im Schwulen Museum

12. Dezember 1997 – 1. März 1998

Umgehäckelte Kitschfotos gibt es zu sehen, Videos mit seltsamen Gegenständen und Sex liegt in der Luft: Eine Ausstellung rund um das Frausein.

Aus der konzeptionellen Offenheit entwickelt die Ausstellung ihre Qualität. – Frausein kreist um gesellschaftliche Normen und Rollen: Einerseits betrifft Frausein die Selbstsicht und die eigene Körperlichkeit und rührt andererseits an der politischen und sozialen Ordnung.

Die Ausstellung wirkt Vorurteilen entgegen. Einst als Lesbenausstellung angedacht, ist es der Gastkuratorin Barbara Strauss gelungen, sich über festgefahrene Vorstellungen hinwegzusetzen. Im Schwulen Museum lassen sich andere andere Sichtweisen erproben, ohne den einzelnen auf seine Sexualität und sein Geschlecht zurückzubinden. Mit Susi Pop ist an dieser Ausstellung auch eine Kunstfigur beteiligt, deren Urheber wechselnden Geschlechts sind. 16 Rippen ist ein undogmatischer und spielerischer Ausblick in eine Zeit, in der sich die Positionen um Gender- und Queer-Debatten zu verhärten drohen.

Die sechzehn internationalen Künstlerinnen überzeugen in ihrer Arbeit. Sie kreisen um Fragen der Selbstwahrnehmung, der Selbstveränderung und entfalten ein Spiel mit dem eigenen Körper und der Körperlichkeit anderer – der (weiblichen) Sexualität. Die Werke beziehen sich aber stets auch auf andere Bilder, mal auf die Kunst, mal auf triviale Bildwelten, mal auf stereotype Vorstellungen. Die Künstlerinnen reflektieren über Frauenbilder, über Erwartungen, die ihnen als Frauen entgegenschlagen. Durch das Vorführen, Verändern und Verfremden entblössen sie unsere Sichtweisen und unsere Vorstellungen, in der Verkehrung zeigen sich etablierte Ansichten, Normen und Rollenbilder.

Ellen Cantors Arbeiten spiegeln die Erfahrung, dass die strikte Trennung von Liebe und Sex heuchlerisch ist, wieder. Romantik, Liebe und Sex stehen im wirklichen Leben im Zusammenhang. G. B. Jones überträgt Tom of Finlands Motive aus Lesben, doch zeichnet G. B. Jones nicht akribisch, sondern expressiv. In Sophy Ricketts Fotoreihe Pinkeln wie ein Mann urinieren Frauen, leicht zurückgelehnt in weitem Bogen, gemäß dem gewohnten Männerritual. In Daphne Fitzpatricks Zeichnungen verschieben sich die Objekte weiblicher Identitätsstiftung, ihr gezeichneter Mädchenkopf trägt einen Oberlippenbart. Vota Bujvid erfüllt klischeehafte Vorstellungen über die kunsthandwerkliche Geschicklichkeit und die Ausdrucksmittel der Frau. So befragt sie auf subtile Weise die weibliche Schaffenskraft und die Rolle der Frau. Vanda Playford rekonstruiert Familienfotos, besetzt aber jede Rolle selbst, spielt also mit den Geschlechtern und den zugewiesenen Funktionen und Attributen. Astrid Chroszielewski formuliert die Vagina als Skulptur, wo doch das Skulpturale das Phallische zu meinen schien. Und für die Vagina findet die Bildhauerin auch eine Materialität der Vielschichtigkeit: Transparent, bunt und leuchtend. Phyllis Baldino und Akiko Hada zeigen Videofilme. Von Anne Randel stammt eine raumbezogene Installation und Käthe Kruse stellt Objekte aus. Die Russin Anna Altschuk montiert ihr Porträt in Bilder, die sie aus alten kommunistischen Filmen nah. Cornelia Schmidt-Bleek zeigt eine Arbeit zum Thema Mode und Mädchen. Janina Saile arbeitet mit Familienfotos ihrer eigenen, von Frauen geprägten Biografie. Karen Oldenburg lässt sich auf Sexualkontakte mit Fremden ein. Als Lockvogel geht sie auch die Suche nach Männern, doch bleibt sie die maßgebliche und maßgebende Person bei diesen Begegnungen.

Durch die Veränderungen und Verfremdungen entblößt sich unsere Sichtweise und die Konstruktion unserer Vorstellungen. „Man ist durch kulturelle Geschlechternormen strukturiert, die man sie nicht gewählt hat. Im Gegenteil: Geschlechterrollen wählen uns, vereinnahmen uns. Was uns eine Wahl und eine Handlungsfähigkeit ermöglicht, ist die Fähigkeit, solche Rollen zu wiederholen, sie neu zu besetzen, so daß sie andere als die herkömmlichen Wirkungen produzieren.“ Schrieb Judith Butler. 16 Rippen ist eine Einladung an alle Betrachterinnen, egal welchen Geschlechts und welcher sexuellen Neigung, überkommene Selbstvorstellungen zu revidieren. Durch den kreativen Zugriff auf die individuell Selbstsicht und Lebensführung ist schließlich auch einer andere Verfahrensweise in der kollektiven, sozialen und  politischen Dimension vorstellbar: Wenn sie das einzelne Individuum ständig neu formieren und formulieren kann, wird Emanzipation zum Perpetuum mobile.

Kuratorin: Barbara Strauss