colony ist eine Gruppenausstellung des LGBTI-Vereins Kaos GL aus der Türkei, welche zeitgenössische künstlerische Positionen zusammenbringt, die sich mit gesellschaftlichen Normen von Binarität und Dichotomien auseinandersetzen und – darauf aufbauend – eine queere Utopie postulieren.
Das Projekt musste kurz vor der Eröffnung am 23. Dezember 2017 in Istanbul neu konzeptioniert werden, da das Gouverneursamt von Ankara am 15. November 2017 ein generelles Verbot von LSBTIQ*-bezogenen Veranstaltungen und öffentlichen Aktivitäten erwirkte. Aus diesem Grunde sah sich Kaos GL gezwungen, als Organisator_in jegliche institutionelle Unterstützung für das Projekt zurückziehen. Damit wollten sie, da es sich um ein sehr öffentlichkeitswirksames Projekt handeln sollte, einen Präzedenzfall und eine Verschärfung der Verbote in Istanbul und anderen Städten verhindern.
colony stellt die Definition von „Mensch-sein“ grundsätzlich in Frage und setzt sich dabei kritisch mit Wissensproduktionen, Wissenschaft, Technologie und Politiken, welche alle davon geprägt sind, dass sie den Menschen eine priviligierte Stellung zuschreiben, auseinander. Alle künstlerischen Beiträge reflektieren konstruierte Dichotomien wie Mensch/Nicht-Mensch, Natur/Kultur und Biologisch/Synthetisch, indem sie Körper und Körperlichkeiten nachahmen. Im Mittelpunkt steht dabei die kulturübergreifende Dichotomie von Weiblichkeit und Männlichkeit, welche sich vor allem auf Reproduktion konzentriert. Über den Rückbezug auf diese Geschlechterbinarität erforscht colony, auf welche Weisen diese vermeintlich „natürlichen“ Normen konstituiert werden und funktionieren. Die Ausstellung setzt diese These in eine Verbindung zu gesellschaftlichen Diskursen über Sprachen und Gender und erprobt, welche neuen zeitgenössischen (kollektiven) Haltungen selbstkonstituierende, anthropozentrische Narrative und ihre lange, kulturhistorisch verhaftete Tradition vermeiden können. colony versammelt eine Reihe von Perspektiven, die diese kritischen Erzählungen durch die Linse von post-humanen und queer-kritischen Verwandtschaften betrachten.
Im Rahmen des Jahr der Frau_en zeigt das Schwule Museum die Ausstellung colony vom 09. März bis 15. April 2018 als Zeichen der Solidarität mit unserer Schwesterorganisation Kaos GL. Die Kurator_innen sind davon überzeugt, dass Kunst und Kultur staatliche Repressalien hacken und überwinden können. Das Schwule Museum will sie und die beteiligten Künstler_innen dabei unterstützen, über das Projekt und den bestehenden transkulturellen Austausch zwischen Berlin und Istanbul bzw. Deutschland und der Türkei die dringend notwendige zivilgesellschaftliche und internationale Awareness für die Verschärfung der Menschenrechtslage in der Türkei aktuell zu halten.