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Der androgyne Blick – Elfi Mikesch: Regie, Kamera, Fotografie. Hommage zum 70. Geburtstag

24. März 2010 – 28. Juni 2010

Als Protagonistin des Neuen Deutschen Films ist Elfi Mikesch seit den 70er Jahren eine Vorkämpferin der feministischen Gegenkultur. Die Dokumentar- und Experimentalfilmerin, Fotografin und Kamerafrau prägte als enge Weggefährtin von Monika Treut, Rosa von Praunheim und Werner Schroeter das subversive Kino der vergangenen Dekaden. Anlässlich ihres 70. Geburtstages würdigt das Schwule Museum die Künstlerin mit einer Ausstellung, die ihr fotografisches Schaffen in den Mittelpunkt stellt.

Filme erzählen Geschichten in Bildern, dabei frappiert, dass die Urheber der Bilder, die Kameramänner, oft nur knappe Erwähnung in Filmkritiken finden. Kamerafrauen gibt es seltener. Eine der wenigen ist Elfi Mikesch, die zudem Regie führt. Ohne ihre suggestive Kamera wären die Filme von Rosa von Praunheim ärmer. Kennen gelernt haben sich die beiden in den sechziger Jahren in Frankfurt am Main. Mit dem Fotoroman OH MUVIE begann wenig später in Berlin ihre künstlerische Zusammenarbeit, die mit Unterbrechungen bis heute anhält. Bei Praunheim traf sie Werner Schroeter, für dessen 1971 entstandene Oscar-Wilde-Adaption Salome sie als Maskenbildnerin und Standfotografin firmierte. Werner Schroeter schätzt ihren ruhigen Einfluss, die Kreation einer harmonischen Atmosphäre, die den Schauspielern Sicherheit bietet und ihnen vollkommene Hingabe an die Kamera ermöglicht. Eindrucksvoll veranschaulicht dies Magdalena Montezumas letzter Auftritt in Der Rosenkönig. Mikesch, Praunheim, Schroeter waren in Verbindung mit den dazugehörigen Superstars die anarchische Talentschmiede des subversiven Films.

Schon mit ihrem Erstlingsfilm Ich denke of an Hawaii erhielt Mikesch das Filmband in Silber. Auszeichnungen gab es viele. 2006 wurde sie als erste Frau mit der Ehrenkamera des Deutschen Kamerapreises geehrt. Für Wirbel, nicht nur beim lesbischen Publikum, sorgte Verführung – Die Grausame Frau, den sie 1984 mit ihrer damaligen Lebens- und Arbeitsgefährtin Monika Treut realisierte. Feministische Gegenkultur, die (hetero)sexuelle Konventionen auf den Kopf stellt: Elfi Mikesch begreift ihren Blick jedoch als androgynen. Für sie ist Kunst polymorph. Ihr geht es nicht um Geschichten, sondern um die Abschweifung, die sich der Logik des Erzählens widersetzt. Kino ist auch das Schwelgen in Bildern, die unter der glatten Oberfläche des Mediums rumoren. Kunst muss für sie die Freiheit haben, jenseits der Einschaltquoten Neues zu erkunden. Auch wenn das Geld kostet. Leider lässt der Fördermut der Fernsehanstalten nach. Künstlerinnen wie Elfi Mikesch sind vom Verstummen bedroht.

Angefangen hat Elfi Mikesch, die schon immer Künstlerin werden wollte, mit der Ausbildung zur Fotografin. Ein ehrbarer Beruf für Frauen. Seit der Erfindung der Fotografie war dieses Medium eine bevorzugte Möglichkeit, weibliche Intuition produktiv zu nutzen. In ihren Fotoarbeiten fällt als erstes die Hingabe der Portraitierten auf, verdichtete Momente der Selbstvergessenheit, des Beisichsein und zugleich der Entäußerung an das Objektiv der Fotografin. Oder wie Rosa von Praunheim es ausdrückt: „Elfi ist einer der liebsten Menschen, die ich auf dieser Welt habe, und die ich neidlos bewundre. Sie hat nur einen Fehler, sie ist zu bescheiden, damit ist es schwer die ganz große Karriere zu machen, die sie verdient hätte.“

Unsere Hommage stellt die fotografischen Arbeiten von Elfi Mikesch ins Zentrum und ehrt die großartige Kamerafrau und Regisseurin. Zu sehen sind Fotos aus OH MUVIE und Stills aus Execution. A Study of Mary, die bereits 1977 in der Galerie Werner Kunze zu sehen waren und Heinz Ohff hinrissen: „Ein kleines Meisterwerk, heiß, pathetisch, schwungvoll und ungeheuer ästhetisch.“ Weiter eine Auswahl aus dem Buch Traum der Dinge, erschienen im Martin Schmitz Verlag, und seltene Fotos aus der Sammlung der Künstlerin. Wir danken Elfi Mikesch und Lilly Grote für die tatkräftige Unterstützung.

Kurator: Wolfgang Theis