Die Schweizer Homosexuellenorganisation Der Kreis bestand mit ihren Vorläufern von 1932 bis 1967 und gab ab 1942 die dreisprachige Zeitschrift Der Kreis – Le Cercle – The Circle heraus. Unter der Leitung ihres Präsidenten, des Schauspielers Karl Meier (1897-1974), der nur unter seinem Pseudonym Rolf in Erscheinung trat, entwickelte sich der Kreis zur weltweit bedeutendsten Homosexuellenorganisation ihrer Zeit und hatte entscheidenden Einfluß auf die Internationalisierung der Homosexuellenbewegung nach 1945. Mit Hilfe seiner bis zu 2.000 Mitglieder aus der Schweiz, der Bundesrepublik, der DDR, Österreich, Frankreich, Italien, Frankreich, den Niederlanden, Skandinavien und den USA baute der Kreis ein internationales Netzwerk auf, dessen Informationen im Sitz der Organisation in Zürich zusammenliefen und in der Zeitschrift veröffentlicht wurden. Damit bot die Organisation nicht nur ein einzigartiges Forum für den aktuellsten Stand der Diskussion zum Thema Homosexualität, sondern kann auch als Vorläufer heutiger Gay-switchboards verstanden werden. Zu den Serviceangeboten für die Mitglieder zählte dabei juristische und psychologische Beratung ebenso wie Informationen über Aktivitäten und Ansprechpartner befreundeter Gruppen in der ganzen Welt.
Seit Beginn seines Engagements kümmerte sich Rolf genauso um die Geselligkeit wie die Aufklärung seiner Mitglieder. Neben den wöchentlichen Zusammenkünften für Züricher Mitglieder organisierte der Kreis jährliche Sommerfeste und Weihnachtsfeiern, wo auf Büchertischen auch schwer zugängliche Literatur zum Thema Homosexualität angeboten wurde. Mit den Einnahmen wurden die Druck- und Versandkosten der Zeitschrift finanziert. Höhepunkte waren in den fünfziger Jahren die Herbstfeste im Züricher Neumarkt-Theater. Aufwendige Dekorationen, Barbetrieb und mehrere Tanzkapellen verliehen ihnen den Charakter großer Ballereignisse. Bis zu 600 Gäste aus dem In- und Ausland erschienen, darunter zahlreiche homosexuelle Prominente, die sich wie alle Besucher nur unter ihrem Klubnamen zu erkennen gaben. Diese Bälle trugen wesentlich dazu bei, daß Zürich unter Homosexuellen den Ruf einer toleranten und weltoffenen Stadt genoß.
Die Ausstellung gibt einen Einblick in die politische Arbeit des Kreis, zu der auch die in der Zeitschrift veröffentlichten Hinweise auf homophobe Vorfälle in der Schweiz und der intensive Austausch insbesondere mit deutschen Homosexuellengruppen zählten. Daneben werden ehemalige Mitglieder vorgestellt, die die Organisation mit ihrem Engagement unterstützten, aber wie Rolf nur unter Pseudonymen in Erscheinung traten. Eingebettet in diese Präsentation werden Fotografien und Zeichnungen, die im Zeitraum von 1942 bis 1967 in der Zeitschrift erschienen und anschaulich Stilempfinden und Ausdrucksmöglichkeiten homoerotischer Kunst im Verlauf von über zwanzig Jahren zeigen.
Kurator: Karl-Heinz Steinle