Eberhardt Brucks gehört zu der Generation deutscher Homosexueller, die im liberalen Klima der Weimarer Republik aufgewachsen sind, deren Ausbildung und Coming-out jedoch in die Zeit der zunehmenden Verfolgung durch die Nationalsozialisten fielen.
1917 in Berlin-Lichtenrade als letztes von drei Kindern geboren, wuchs Eberhardt Brucks in einer Familie auf, die trotz Krieg und Weltwirtschaftskrise versuchte, den Kindern eine unbeschwerte Jugend zu ermöglichen. Nach Abschluss des Reform-Real-Gymnasiums besuchte er ab 1936 die Textil- und Modeschule Berlin am Warschauer Platz. Hier studierte er Kostüm- und Bühnenbildnerei in der Theaterklasse von Waldemar Kohlund. In diese Zeit fielen seine ersten homosexuellen Erlebnisse. Gelegenheit boten ihm die Heimlichkeit und Verschwiegenheit der Dampfbäder. Brucks berichtet auch von Besuchen im Lokal Bei Barth in der Fasanenstraße, das sich in jenen Jahren trotz der Repressionen als Homosexuellentreffpunkt halten konnte.
Noch vor Abschluss seiner Ausbildung wurde Eberhardt Brucks 1938 zum Arbeitsdienst eingezogen. Wehrdienst und Dienstverpflichtung als Soldat folgten. Aufgrund einer Behinderung blieb er bis Ende des Krieges im Restkommando Flak-Regiment 32 in Berlin-Schulzendorf stationiert. Auch während dieser Zeit nutzte Brucks die kleinen Freiheiten, die sich ihm boten.
Er besuchte Aktzeichenkurse an der Hochschule für Bildende Künste am Steinplatz und nutzte noch bis 1943 Freifahrten, die ihm als Soldat zustanden, vornehmlich zum Nacktbaden auf die Insel Sylt, wofür er auch seine Kameraden begeistern konnte. Beim Einmarsch der Russen kam er in Gefangenschaft nach Fürstenwalde, aus der er im Oktober 1945 entlassen wurde.
Erst nach der Entlassung aus der russischen Kriegsgefangenschaft konnte sich Eberhardt Brucks der Kunst zuwenden. In Zeichnungen verarbeitete er die Schrecken des Krieges. Er brachte aber auch seine Sehnsüchte und Ängste als Homosexueller zum Ausdruck. Nach ersten Ausstellungen und mehreren illustrierten Büchern erschienen 1947 seine Federzeichnungen zu E.T.A. Hoffmann.
Wegen einer unausgeheilten Hepatitis, die sich Brucks als Soldat zugezogen hatte, gestatteten ihm die Alliierten 1947 einen 18-monatigen Aufenthalt bei Verwandten in Lugano. Über neugewonnene Freunde hörte er erstmals von der Züricher Homosexuellenorganisation Der Kreis. Im Frühjahr 1948 erlebte Brucks eine Zusammenkunft der Kreis-Mitglieder in Zürich. Hier lernte er die ungezwungene Atmosphäre unter Gleichgesinnten kennen und lieferte fortan Zeichnungen und Gedichte für die internationale Zeitschrift der Organisation. Über das Netzwerk der Organisation erfuhr Brucks von der sich neu formierenden Homosexuellenbewegung. Er nahm Kontakt u.a. zu Hermann Weber auf, der im August 1949 in Frankfurt/Main den Verein für humanitäre Lebensgestaltung gründete.
Neben ersten Einzel-Ausstellungen 1951 in Berlin und 1952 in Lüdenscheid erschienen Illustrationen von Eberhardt Brucks nun auch in der deutschen Homosexuellenpresse. Dank der Vermittlung durch den Kreis in Zürich kam es auch zu einer Zusammenarbeit mit dem Hamburger Verleger Christian Hansen Schmidt. Dieser versuchte, aktuellen Fragen zum deutschen Strafrecht ein Forum zu geben. Unterstützt wurde er von Erwin Haarmann, der 1953 die Gesellschaft für Menschenrechte gründete und bestrebt war, die Interessen der deutschen Homosexuellengruppen zu bündeln. In Haarmanns Zeitschrift Hellas aus dem Verlag Christian Hansen Schmidt wurden 1953 und 1954 Zeichnungen von Brucks publiziert. Ebenfalls für den Verlag illustrierte Brucks 1954 Botho Lasersteins Tatsachenbericht Strichjunge Karl und dessen Plädoyer gegen die Todesstrafe Laßt uns wieder etwas töten!
Die Originale hiervon gelten als verschollen. Der Jurist Laserstein wurde nach Erscheinen des Buches strafversetzt und nahm sich wegen angedrohten Berufsverbots das Leben, ebenso Hansen Schmidt, der in Konkurs gegangen war. Diese Erfahrung markierte einen Bruch für Eberhardt Brucks. Zeitlebens theaterinteressiert, arbeitete er ab 1954 als „Darsteller Kleines Fach“ bei der Volksbühne in Ost-Berlin. Der Mauerbau im August 1961 beendete diese Tätigkeit.
Über eine Kontaktanzeige im Amicus-Briefbund lernte Eberhardt Brucks 1951 den Berliner Hans Pählke kennen. Mit Hansi, wie Brucks den fünf Jahre jüngeren Angestellten der GASAG nannte, fand er die Freundschaft seines Lebens. Gemeinsame Reisen führten immer wieder auf die Insel Sylt, die Brucks schon vor 1945 wegen seiner Vorliebe für Freikörperkultur besucht hatte. Pählke wiederum eröffnete Brucks die Welt der Musik.
Die Freundschaft zu Hans Pählke wurde von Brucks´ Mutter Martha akzeptiert. Mit ihr lebte der Künstler nach dem Tode des Vaters in der elterlichen Wohnung. Sein Zimmer war zugleich Atelier. Es war eine Zufluchtsstätte für Hansi, dessen Mutter Homosexualität ablehnte. Die zeitbedingten Vorurteile mündeten in ein familiäres Drama: 1963 nahm sich Hans Pählke das Leben, wenige Wochen später beging seine Mutter Selbstmord.
Den Verlust des Freundes suchte Brucks künstlerisch zu verarbeiten. Die Bilder der folgenden Jahre beinhalten religiöse Motive. In den 60er Jahren wirkte er beim Berufsverband Bildender Künstler und nutzte dessen Ausstattung zur Herstellung von Radierungen. Neben der Übernahme kleiner Filmrollen war Eberhardt Brucks bis in die 80er Jahre als freischaffender Grafiker tätig und lebt heute in Berlin.
Kurator: Karl-Heinz Steinle