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Die Lust der Götter – Homosexualität und Kunst in der italienischen Renaissance

26. Mai 1993 – 29. August 1993

Erstmals zeigt das Schwule Museum eine kunsthistorische Ausstellung über die Behandlung des Themas Homosexualität in der italienischen Renaissance. Aus dieser Epoche gibt es zahlreiche Kunstwerke, die sich dem Thema annähern, nicht nur von Künstlern, deren Empfindungen sich ausschließlich auf das eigene Geschlecht richten wie bei Donatello, Botticelli, Michelangelo und anderen, sondern auch von Künstlern wie Raphael, Giulio Romano, Sodoma, Correggio, die entsprechen dem bisexuellen Ideal der Zeit auch Knabenliebe behandeln. Das Erlebnis der Antike in Literatur und Kunst gab  immer wieder Anstoß, sich mit Homosexualität auseinanderzusetzen und mit eigenen Wunschvorstellungen umzugehen. Parallel zur Platon-Renaissance beginnt die künstlerische Abbildung im 15. Jahrhundert mit Donatellos Bronze-David und Filaretes historischen Zitaten an den Türen von Sankt Peter in Rom. Eine Wiedergewinnung antiker Bildthemen als eigenständige Kunstwerke zeigt sich in den Arbeiten Borticellis, Mantegnas und des jungen Micheangelos am Ende des Jahrhunderts. Dabei geht es zumeist um Bacchanale und ausschweifende Satyrn. In der Hochrenaissance nach 1500 findet sich eine Fülle von Darstellungen der Götterliebschaften, die auch die geliebten Knaben, den Hyazinth des Apolls, den Ganymed des Zeus oder den Hylas des Herkules aufnehmen. Die neoplatonische Philosophie der florentiner Humanisten um Marsilio Ficino ermöglichte es, Sexualität als göttliche Liebe, als Liebe der antiken Götter und Halbgötter geadelt, mit aller Sinnlichkeit abzubilden. Die repressive Strömung nach dem Konzil von Trient als Reaktion auf das Erstarken des Protestantismus in Nordeuropa, setzt dieser Entwicklung ein vorläufiges Ende. Bilderstürme und Verbrennungen von Andersdenkenden und Büchern waren die Folge. Mittelalterlich asketische Moralvorstellungen von Gut und Böse werden gegen den freien Geist der Renaissance gesetzt. Und doch gelang es auch jetzt auch jetzt noch einigen Künstlern und Mäzenen Homosexualität als antike Knabenliebe darzustellen und zu leben. Mit Caravaggios Jünglingsbildern entsteht ein neuer Höhepunkt, der gleichzeitig die Entwicklung beendet. Erst im 20. Jahrhundert wird es wieder möglich, Homosexualität in einer derartigen Vielfalt wie in der italienischen Renaissance darzustellen und darüber hinauszugehen.

Die Ausstellung befasst sich mit dem gesellschaftlichen Umfeld in Italien, mit den unterschiedlichen Ansichten zu Homosexualität, die sich in Literatur, Philosophie, Theologie, Rechtsprechung, Kunst und Lebenskultur ausdrücken. Dabei geht es weniger um eine Präsentation von Originalen, als vielmehr um eine aufklärerische Dokumentation. Die Ausstellung und die parallel erscheinende Veröffentlichung Die Lust der Götter – Homosexualität in der italienischen Kunst – Von Donatello zu Caravaggio im Verlag rosa Winkel möchten Anstoß geben für eine in der Kunstgeschichte überfällige Diskussion um das Tabu Homosexualität.

Kurator: Andreas Sternweiler