Im Rahmen einer mehrwöchigen Ausstellung zeigt das Schwule Museum zwei im Originalzustand reinstallierte Zimmer aus der Wohnung des schwulen Sammlers und ehemaligen DDR-Oberkonsistorialrats Siegmar Piske (1942-2009).
Piske, der zuletzt völlig zurückgezogen lebte, hat über viele Jahre Kunstobjekte und Bücher aller Art in großer Zahl gesammelt. So war das persönliche Refugium seiner Dachgeschoßwohnung zugleich eine Art Kunst- und Wunderkammer – eine „schwule Welt“ über den Dächern von Berlin. Dieses Mosaik aus persönlichen Erinnerungen und Sehnsüchten soll noch einmal für kurze Zeit als detailgetreue Rekonstruktion ins Bewusstsein der Öffentlichkeit treten.
Beim Betreten der Dachwohnung duftet es nach ätherischer Rose und von draußen dringt Straßenlärm durch die Isolierfenster. Im schummrigen Flur stehen Vitrinen mit Büchern, dazwischen Zeichnungen, Fotografien, Skulpturen und auf dem Boden Stapelweise Papiere. Die Wände aller Räume sind, soweit es das Mobiliar zulässt, vom Boden bis zur Decke mit Objekten angefüllt. Davor stehen Polstersessel, Sofas, Gründerzeitesstische, Couchtische, Beistelltische, Teetische, Nähtische, Nachttische. Der Bewohner dieser Wohnung, Siegmar Piske (1942-2009), ehemals Oberkonsistorialrat (Jurist) der Evangelischen Kirche im Osten, ist nach langer, schwerer Krankheit gestorben. Als er noch bei Gesundheit war, muss jedoch etwas vorgefallen sein – war es der Tod seiner großen Liebe, waren es Probleme beim Coming Out oder auch nur die Enttäuschung über die Wiedervereinigung? – dass eine Dachgeschoßwohnung zum Rückzugsort für ihn wurde.
Dort oben entstand eine schwule Welt, die nun als Erbe an das Schwule Museum geht. Bevor dieses Mosaik aus persönlichen Erinnerungen und Sehnsüchten eingelagert oder verkauft wird, soll ein Teil der Wohnung in den Räumen des Schwulen Museums als Rekonstruktion für kurze Zeit ins Bewusstsein der Öffentlichkeit treten.
Über den Menschen Siegmar Piske ist wenig bekannt, aber die Sammlung verrät manches über den Sammler, über seinen Humor, seine Vorlieben und die Bedeutung, die die Objekte für ihn besaßen. Die Vielfalt und der emotionale Wert haben stets Vorrang vor dem Wert auf dem Kunstmarkt. Und damit liegt Siegmar Piskes Sammlung dann doch wieder ganz im Trend der Zeit, wie ihn die Zeitschrift Kunst und Auktionen gerade konstatierte: „Es wird weit mehr universell gekauft. Ein Ensemble wird angestrebt, das eher einer Philosophie, einer Ästhetik folgt, als einem Anspruch auf Vollständigkeit und Spitzenwertigkeit.“ Diese so zeitgemäße Idee von einer Kunst- und Wunderkammer hat Siegmar Piske in seinem Apartment über den Dächern Berlins geradezu exemplarisch vorgelebt.
Kurator: Boris von Brauchitsch