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Fuck Gender – Fotos von Anette Frick 1995 -2003

26. Februar 2003 – 26. Mai 2003

Die Fotos von Annette Frick, die in der Tradition von Brassaï, Man Ray, Lisette Modell, Diane Arbus, Peter Hujar stehen, zeigen genau das Gegenteil: in einfachen, klaren schwarz-weiß Bildern, ohne allen technischen Schnickschnack treten die Individuen, die stolz auf ihr Andersein sind, ob Homo, Lesbe, BiSexuelle, Hetero, Hetera, Dragking, Dragqueen, Tunte leuchtend in den Mittelpunkt. Durch den fotografischen Purismus, der alles andere ist als arme Fotografie, setzt Annette Frick auch einen Gegenpol zu der im Moment herrschenden Beliebigkeit der Mainstream Fotografie, die ihre geistige Armut hinter Riesenschinken oder digitalisiertem Schnickschnack verbirgt.

Zu Annette Fricks Fotos und Diashows von Marc Siegel (Übersetzung aus der Englischen Sprache):

Seit vielen Jahren hat die Fotografin Annette Frick leidenschaftlich und geduldig das quere Underground-Nachtleben Berlins dokumentiert. Mit einem besonderen Auge für die Unterschiede innerhalb der lesbischen und schwulen Szene, der „drag und Performance Szene“, fotografiert Frick die großen kulturellen Veranstaltungen wie die Teddy Awards Ceremony auf der Berlinale und mit besonderer Aufmerksamkeit die kleinen, weniger kommerziellen Ereignisse, wie zum Beispiel Fabrikantinnen, das jährlich stattfindende lesbisch-feministische Kulturfestival in einem Ladenlokal in Friedrichshain. Wo auch immer sie arbeitet, Frick fängt genau jene flüchtigen, ephemeren, schnell vergänglichen Momente ein, die dann sichtbar werden, wenn ein Punk oder ein Performer ihr oder sein Haar fallen lässt, ihre oder seine Prücke aufsetzt. In anderen Worten, eine der spezifischen künstlerischen Qualitäten ihrer Arbeit besteht im Festhalten jener Augenblicke, in denen Performer und Performance gleichzeitig zu sehen sind – in der Garderobe, im Nachtclub oder Backstage.

Das ist vielleicht ein Weg, das Projekt Die Masken der Identität zu verstehen. Diese scharfsinnige Arbeit ist sich des offensichtlichen Paradox bewusst, dass jemand nicht, um sich zu verstecken, eine Maske aufsetzt oder um sich zu verkleiden, sondern dass erst dieses Ritual es möglich macht, die eigene Identität auszudrücken. Während Fricks Protagonisten sich eine Maske auflegen oder ein Kleid anlegen, fabrizieren sie eine jeweils andere Identität. Da diese Figuren, die Fricks Welt bevölkern, zu den innovativsten Persönlichkeiten Berlins vergangener und gegenwärtiger Kulturlandschaft zählen, lassen die „neuen Identitäten“, die diese Fotos dokumentieren, etwas von den radikalen kulturellen Möglichkeiten der Großstadt erahnen. In vielen Fällen sind die Fotos die einzigen noch verfügbaren Dokumente eines Ereignisses, das ansonsten im besten Fall in der Form einer persönlichen Erinnerung oder einer anekdotischen Erzählung fortleben würde. Aus diesem Grund haben ihre Fotos einen einzigartigen historischen Wert. Es zeugt von ihrem spezifischen Können und ihrem Handwerk, dass ihre Fotos etwas von der Frische und Spontanität der Umgebung erhalten, in der sie aufgenommen wurden.

Als eine begabte Dokumentaristin dieser queren Gegenkulturszene wurde Frick eine vertrauenswürdige Teilnehmerin. Sie hatte die einzigartige Gelegenheit, sich mit einer Reihe der großartigen Underground-Performer anzufreunden und sie in ihr Studio einzuladen. Dort hatte sie mehr Zeit, mit ihnen Portraits zu inszenieren. Ihre gesamte Arbeit ist eine bewegende und präzise Dokumentation der in Berlin arbeitenden Künstlerinnen und Künstler und deren öffentlicher und privater Performances. Dadurch hat sie auch eine intime Perspektive auf die rohe Fabelhaftigkeit des gegenwärtigen queren Lebens.

Marc Siegel ist amerikanischer Filmwissenschaftler und Theaterregisseur. Außerdem ist er Spezialist der Queer Theory und Underground-Kultur. Er promoviert in Filmwissenschaft an der University of California, Los Angeles, und ist Mitbegründer des Cheap Clubs.

Kurator_innen: Wolfgang Theis, Anette Frick