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Gegen Einsamkeit und „Einsiedelei“: Die Geschichte der Internationalen Homophilen Welt-Organisation (IHWO)

1. Oktober 2009 – 30. November 2011

Im September 2009 ist es vierzig Jahre her, dass der von den Nazis verschärfte § 175 StGB erstmals reformiert wurde. Der Paragraph, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte, wurde erst 1994 ersatzlos aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Eine der ersten Organisationen, die sich nach der Liberalisierung des Paragraphen im Herbst 1969 für diese Streichung stark machte, war die Internationale Homophile Welt-Organisation (IHWO). Im August 2009 erscheint im Hamburger Verlag Männerschwarm eine Monografie über die Organisation, und am 30. September 2009 eröffnet das Schwule Museum Berlin eine Ausstellung dazu. Erarbeitet wurden Buch und Ausstellung von Raimund Wolfert.

Die Geschichte der IHWO war wechselhaft. Gegründet wurde die Organisation um 1952 von Axel und Eigil Axgil in Dänemark. Sie fungierte zunächst als Vermittlerin für private Kontakte und als Verkaufszentrale für homoerotisches Bildmaterial. Erst in den sechziger Jahren politisierte sie sich, und während die dänische IHWO bereits 1970 ihr Wirken einstellte, gelang ihr in Deutschland ein bedeutsamer Neuanfang. Er erfolgte in der Umbruchphase von der alten, vor allem auf Anpassung setzenden Homosexuellenbewegung zur neuen, studentisch geprägten Schwulenbewegung. Die deutsche IHWO, die zu ihrer Blütezeit 800 Mitglieder zählte, wollte weder schockieren noch provozieren. Sie wollte „gegen Einsamkeit und ‚Einsiedelei’“ kämpfen und mit gesellschaftlichen Meinungsträgern wie Politikern, Kirchenvertretern und Wissenschaftlern „hinter den Kulissen“ ins Gespräch kommen, nicht aber „den gemeinen Mann auf der Straße“ ansprechen. Ihr Ideal war die gleichgeschlechtliche harmonische Dauerfreundschaft, wie sie von den beiden Hamburger Vorstandsvorsitzenden Carl Stoewahs und Claus Fischdick vorgelebt wurde, und ihr vorrangiges Ziel war die Errichtung von Clubzentren jenseits der homosexuellen Subkultur. Als die neuen Schwulen- und Lesbengruppen um Rosa von Praunheim und Martin Dannecker bewusst auf Konfrontationskurs zur bestehenden Gesellschaft gingen, reagierte die IHWO mit Unverständnis und verstummte: „Sollen wir der Öffentlichkeit noch mehr Anlaß geben, gegen die ‚Schwulen’ zu sein?“ fragte sie 1972 irritiert. Sichtbarkeit und Identifizierbarkeit gehörten nicht zu ihren Schlagworten. In der Folge machte sich in der Mitgliederbasis der IHWO zunehmender Unmut über ausbleibende Gesellschaftskritik, großspuriges Kompetenzgehabe und mangelndes Demokratieverständnis breit. Eine völlig verfehlte Finanzpolitik führte Anfang 1974 schließlich zu dem unrühmlichen Ende der Organisation.

Kurator: Raimund Wolfert