Seit Jahrzehnten sind die Knollennasen Wegbegleiter der Schwulen, sie leiden und tucken, sie feiern und vögeln, sie trauern und altern mit ihnen. Sein Bild der Schwulenszene als Mittelpunkt des Universums, um das ein paar tragische Frauengestalten und dumpfe Hetero-Männer wie Trabanten kreisen, hat Generationen von Schwulen und Lesben nicht nur Spaß sondern auch Mut gemacht.
Inzwischen bevölkern Königs Knollennasen die gesamte Weltgeschichte, von der Bibel, über die Antike und die Renaissance bis in die Gegenwart. Die gnadenlose Respektlosigkeit ist in Königs Werk über die Jahre einer subtilen Ironie gewichen, aber noch immer versteht er seine Comics und „Graphic Novels“ als Statements zu gesellschaftspolitischen Fragen.
„Ich kann wunderbar abschalten und auch wochenlang ohne jede Knollennase rumlaufen“, behauptet Ralf König. Doch schon diese Aussage zeigt, dass er im Innersten doch unter Knollennasen zu Hause ist, ihre Träume träumt, ihre Musik hört, mit ihnen lebt und leidet. Ihre Geschichten sind nicht erdacht und dann notiert, sondern miterlebt. „Ich mach es wie ein Regisseur, der kein Drehbuch hat, aber schon mal anfängt zu filmen“, so König, der damit eintaucht in die Ereignisse und sich als schnell zeichnender Chronist überraschen lässt vom Verlauf der Handlung: „Ich weiß manchmal gar nicht, was auf der nächsten Seite passiert und das macht mir selber Spaß und erhält die Spannung.“
Am Ende stehen Werke, die fast filmisch ihre Botschaften transportieren, den Leser mit schnellen Schnitten und Rückblenden packen und mitreißen. Die Botschaften sind oft schrill, respektlos und aberwitzig verpackt – denn Ralf König hat seine ureigene Art der Diplomatie entwickelt –, aber sie sind immer zutiefst human, werben für Toleranz und Lebenslust, Auf- klärung und Verantwortung und nicht zuletzt für sich selbst: für intelligente, entwaffnend witzige Comics.
Die Welt von Ralf König präsentiert nun anlässlich seines 50. Geburtstags das Schwule Museum. Zugegen sein werden die Stars aus Königs Feder, aber auch eine ganze Reihe ziemlich unbekannter Gestalten. Neue Facetten und Raritäten treffen auf Klassiker, die längst den Sektor der Merchandising-Produkte für sich erschlossen haben: Teddys als Schlüsselanhänger, Kondome des Grauens aus Glas, Knollennasen als Wanduhren, auf Weinflaschen oder Telefonkarten…
Der Blickwinkel ist ein ungewohnter, denn das Universum der Knollennasen wird ein erstes Mal ganz „wissenschaftlich“ erforscht: Wo finden sich die Objekte der Begierde, welche Rolle spielen Frauen und Haustiere, wie steht es um die Religion oder um den alten Streit zwischen Tunten und Lederkerlen? Die Ausstellung im Schwulen Museum – basierend auf der Sammlung Mario Russo – gibt ab dem 14. Juli Antworten auf solch existentielle Fragen.
Kurator: Boris von Brauchitsch