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Lebensgeschichten 4 – Liebe, Forschung, Lehre: Der Kunsthistoriker Christian Adolf Isermeyer

30. September 1998 – 3. Januar 1999

Der Kunsthistoriker Christian Adolf Isermeyer wurde 1908 in ein großbürgerliches Elternhaus in Goslar geboren. Eine finanzielle Unabhängigkeit bestimmte sein gesamtes Leben und er konnte sich frei nach seinen Wünschen und Neigungen entwickeln. Er besuchte das renommierte Internat Ilfeld im Südharz, studierte von 1929 bis 1933 in Göttingen, München und Montpellier und arbeitete danach an den Staatlichen Museen in Berlin. 1934 erheilt er die beiden wichtigen Forschungsstipendien in Florenz und Rom. 1937 kehrte er nach Berlin an die Nationalgalerie zurück, wo er bis Kriegsbeginn tätig war. Als Soldat kam er nach Frankreich, später als Dolmetscher nach Nordafrika und zuletzt auf einen Blockadebrecher. Immer gelang es ihm, ein Stück weit auch nach seinen Neigungen zu leben, selbst in seiner Gefangenschaft ab 1942 in Kanada. 1946 kehrte Isermeyer ins zerstörte Berlin zurück und ging schon bald nach Hamburg, wo er die Universitätslaufbahn einschlug. Seine wichtigen kunsthistorischen Arbeiten verfasste er über Giotto, Vasari, Michelangelo, Leonardo, Runge und Palladio. Ab 1961 engagierte er sich federführend für eine Petition an den Deutschen Bundestag zur Abschaffung des § 175.

Isemeyers Liebe für die Kunst brachte ihm zahllose Freundschaften mit Künstlern, Kunsthändlern und Kunsthistorikern ein. Auch in der Nazi-Zeit blieb er der jetzt verfemten Moderne treu. Durch den Bildhauer Hermann Blumenthal kam er 1937 in Kontakt mit Künstlern wie Werner Heldt und Werner Gilles, die ihm lebenslange Freunde wurden. Eingebettet in seinen wissenschaftlichen Werdegang erzählt Isermeyer von den zentralen Liebesbeziehungen und zahlreichen Abenteuern.

Die Reihe Lebensgeschichte des Schwulen Museums dokumentiert die Erlebnisse von schwulen Männern, die um 1910 geboren wurdeb. Ihr Schicksal ist geprägt von Verfolgung. Eine zentrale Frage ihrer Biografie lautet: Welche Entfaltungsmöglichkeiten bieten sich, ausgehend von den gesellschaftlichen, politischen und individuelle Bedingungen?

Es war reizvoll, diese Frage auch an jemanden zu stellen, der in einem wesentlich liberales Umfeld seine Homosexualität entdeckt: in einer Gesellschaft, in der homosexuelle Handlungen nicht mehr unter Strafe stehen. Welche Ängste und Probleme ergeben sich? Unter welchen Möglichkeiten gelingt es, öffentlich für das eigene Begehren einzustehen?

Kurator: Andreas Sternweiler