Hans Heinrich von Twardowski war in den frühen zwanziger Jahren eine Berliner Lokalberühmtheit. Magnus Hirschfeld bescheinigte ihm 1917 eine „Gehirnüberreizung“ und verhinderte so, dass der 19jährige eingezogen wurde. Dies schrieb er feldpostlagernd an Friedrich Wilhelm Murnau, mit dem der junge Twardowski befreundet war. In Murnaus Nachlass sind zwei Briefe Twardowskis erhalten, in denen er dem väterlichen Freund seine „Neigung“ gesteht. Twardowski arbeitete an führenden Bühnen Berlins, trat im Kabarett auf und wurde im Film als hypersensibler Jüngling besetzt. 1918 erschien DER RASENDE PEGASUS, eine Sammlung mit literarischen Parodien, die Twardowski auch auf der Bühne mit großem Erfolg vortrug – Tucholsky hat ihn dafür gelobt.
Mit Moriz Seeler, dem Leiter der Jungen Bühne, verband Twardowski eine enge Freundschaft. Nur an zwei Aufführungen Seelers war er nicht direkt beteiligt. Als Schauspieler arbeitete er neben seinen unbezahlten Auftritten bei der Jungen Bühne an berühmten Häusern. Die Kritiker beurteilten seine künstlerischen Leistungen zwiespältig; einige sahen in ihm den expressionistischen Schauspieler, den anderen war er zu distanziert, zu intellektuell – Klaus Mann hielt ihn für unbegabt. Mit Hubert von Meyerinck war er zeitweise einer der gefürchteten Nachtschwärmer und Dauergäste im Romanischen Café.
Twardowski ging 1930 nach Hollywood. Der Tonfilm erforderte neue Strategien der Auswertung. Erfolgversprechende Stoffe wurden in mehreren Sprachversionen realisiert. Twardowski war für zwei Filme, die auch als deutsche Version gedreht wurden, engagiert. Er blieb in den USA. Zusammen mit seinem Lebensgefährten Martin Kosleck versuchte er sich in Hollywood zu etablieren. Wie viele Emigranten wurden beide wegen ihres Akzents als Darsteller von Nazis in Antinazifilmen beschäftigt. Martin Kosleck wird später eine schlecht bezahlte Karriere als Horrorstar in B-Pictures machen. In Hollywood trifft Twardowski auf eine alte Bekannte aus besseren Berliner Tagen – Marlene Dietrich. Die Bekanntschaft wird aufgefrischt und für einige Jahre wird Twardowski Marlenes Vertrauter, ist aber auch von ihr abhängig, was nicht ganz konfliktfrei verläuft.
In der Ausstellung sind Briefe und Telegramme von Twardowski an Marlene Dietrich zu sehen, die auch über sein privates Leben mit Martin Kosleck und dessen chaotische Liebschaften Auskunft geben. Marlene schildert er auch seine Erfahrungen mit Dorothea Wieck, die als Lesben-Ikone seit ihrem Auftritt in MÄDCHEN IN UNIFORM verehrt wird, und ausgerechnet dem schwulen Twardowski an die Wäsche will. Martin Kosleck, der sich als Maler in Hollywood ein gewisses Renommee erarbeitet, portraitiert mehrmals Marlene Dietrich. Wir zeigen drei Ölgemälde aus dieser Periode. Twardowski schickte seinen von Liebeskummer zerrütteten Freund 1947 zu Eleonora Mendelssohn nach New York. Überraschend heiraten die beiden, an der Beziehung zu Twardowski hat sich bis zu dessen Tod 1958 nichts geändert. Martin Koslecks Mutter wunderte sich über die Treue des alten Freundes, hoffte aber, dass Hänschen auch noch die Richtige finden würde.
Heute ist Hans Heinrich von Twardowski so gut wie vergessen. Das Schwule Museum begibt sich auf Spurensuche. Die Leihgaben stammen überwiegend aus der Deutschen Kinemathek und der Marlene Dietrich Collection Berlin. Mosaiksteinchen fanden sich im Murnau-Nachlass, der von der Deutschen Kinemathek betreut wird, in der Akademie der Künste und in der Theatersammlung der Freien Universität.
Kurator: Wolfgang Theis