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Mein schwules Auge 3 – Internationale Künstler zu Gast im Schwulen Museum

12. März 2006 – 14. Mai 2006

Mein schwules Auge 3 versammelt künstlerische und sexuelle Abenteurer und Exoten jeder Couleur, darunter viele neue Talente neben solchen, die sich in der internationalen Kunstszene längst einen Namen gemacht haben. Bei der Auswahl der Künstler und Bildbeiträge hat der Kurator Rinaldo Hopf den Blick über Europa hinaus auf neue, ungewöhnliche Ausdrucksformen gerichtet und insbesondere nach jungen oder in Deutschland bisher wenig bekannten Künstlern Ausschau gehalten, die sich abseits des gefälligen und damit auch schnell langweilenden Mainstream bewegen. Künstler, die in ihren Bildern der schwulen Liebe, Lust, Sexualität und dem schwulen Selbstverständnis inhaltlich als auch formal individuellen Ausdruck verleihen. Fündig geworden ist er dabei in Tel Aviv, Palm Springs und Shanghai, vor allem aber in Wien, Berlin, Amsterdam und New York. In der Ausstellung sind fast alle im Buch vertretenen Künstler zu sehen, wobei mehrere von ihnen neue Arbeiten eigens für das Schwule Museum geschaffen haben.

Inhaltliche Schwerpunkte der Ausstellung sind Pornografie, digitale Medien, Liebe und Spiritualität – Themen, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben, die aber einzeln oder in Kombination in der Arbeit vieler der beteiligten Künstler Kristallisationspunkte bilden und dem Geist und den Bedürfnissen der Zeit zu entsprechen scheinen.

Pornographie ist ein immerwährendes Thema, welches sich seit den sechziger Jahren längst den Weg aus der Schmuddelecke in die Alltagskultur gebahnt hat. Die Beiträge hierzu reichen von überraschend lustigen Stills während Cazzo Pornodrehs; über intime und spontane Klappensexfotos von Martin E. Kautter; verspielte Zeichnungen von Jungs in akrobatischen Sexstellungen von Hannes Steinert; selbstironisch übersteigerte sehr kalifornische Bilder von Henning von Berg; zu den radikalen Selbstportraits von Matthias Herrmann, der ausschließlich seine eigene Person als Arbeitsmaterial einsetzt.

Digitale Medien, Kontaktaufnahme und Sex via Internet sind dabei, weltweit die schwule Sozialisation zu verändern. Statt wie bisher in Schwulengruppen, Kneipen und in der Subkultur findet die Kontaktaufnahme mit der schwulen Welt nunmehr zuhause am Computerbildschirm statt. Dabei entwickelt sich eine ganz neue Ästhetik und künstlerische Praxis. So entwirft der New Yorker Clarke Jackson eine irreale Welt von CyberGyms, in der spießig wirkende Brillenträger die Naturgesetze aufzuheben scheinen; und der Israeli Kai Arama schafft verstörende Tableaus voller Monstrositäten. Direkt aus dem Internet heruntergeladen sind die Kontaktfotos, die Boris von Brauchitsch zu Kompositionen zusammenfügt, die in ihrer Masse entlarvend sind.

Liebe und Beziehung sind das Thema der Gemälde des Freiburgers Alexander Schönfeld und des New Yorkers Fotokünstlers Bill Travis. Ebenso des russisch-amerikanischen Duos und Paars Slava Mogutin und Brian Kenny, deren Installation aus Fotos und Zeichnungen eine ziemlich wilde schwule Variante der eher homophoben HipHop Szene ist. Nähe, Spontaneität und Zärtlichkeit sind hervorstechende Merkmale der Fotografien von Anja Müller und Mathias Trostdorf, der beiden Herausgeber von Mein schwules Auge 1 und 2. Der Spanier Alexis W verarbeitet das Ende einer großen Liebe in seiner Installation und Performance Te quiero.

Überraschend ist die relative große Zahl von Arbeiten mit religiösen und spirituellen Inhalten oder Elementen. So werden Motive der christlichen Passionsgeschichte mit sadomasochistische Fetischen kombiniert im Altar des Wiener Fotografen Frank Gassner; im stark sexualisierten Abendmahl des Berliners Patrick Bartsch; in den überbordend grausamen Gemälden im Comicstil des Deutsch-Amerikaners Oliver Estavillo. Christliche Versatzstücke finden sich ebenso in den hyper-realistischen Fotoarbeiten des in Wien lebenden Anthony Gayton wie in der Serie Rough Gods des New Yorkers Michael Alago; im spirituell-pornografischen CyberComic von Dirk Lang: Die 120 Tage von Sodom, in Zusammenarbeit mit dem kalifornischen Fotografen Raymond Angeles entstanden. Rinaldo Hopf stellt einen ersten Ausschnitt aus seinem Aquarellfries Karma vor, lebensgroße Aktportraits unterschiedlichster Menschen vor universellen Symbolen der Erleuchtung.

Eine exotische und verwirrend unbestimmte Variante queerer Identität spricht aus den Fotokompositionen des Amerikaners Fred H.Berger, The Art of the Hustle. Eine jeweils ganz berlinerische Form queeren Lebens stellt Martin von Ostrowski mit seinen knallbunten CSD-Gemälden und Nicolaus Schmidt mit kaligrafisch verfremdeten Portraits türkischer Tunten wie Cihangir Guemuestuerkmen im Kreuzberger Gayhane dar.

Sehr unterschiedliche Formen von konkreter Malerei finden sich bei den Berlinern Georg Weise und Wilfried Laule sowie bei dem Münchner Peter Schauwecker.

Als Sahnehäubchen steuert Ralf König Arbeitsskizzen zu seinen Comics bei.

Kurator: Rinaldo Hopf