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Schwules Museum wieder geöffnet: Bilder, Objekte, Fotos, Dokumente zu mehr als 100 Jahren schwuler Geschichte – Ausblicke auf neue Projekte

23. März 1991 – 19. Mai 1991

Nach fast zweijähriger Raumlosigkeit hat das Schwule Museum seinen neuen Ort gefunden: Gute 120qm Gewerbefläche im Mehringdamm 61 für Ausstellungsflche und Archiv, in unmittelbarer Nachbarschaft der AHA. Hier hatte früher bhgwan seine erste Depandance.

Noch bis zum 19. Mai findet eine Ausstellung statt, die sowohl Ausblick gibt’s auf kommende Projekte und zugleich Auskunft darüber, was die Archivar_innen sammeln und auswerten: Fotos, Zeitschriften, Bücher und – im weitesten Sinne – Dokumente zur Schwulenemanzipationsbewegung. Größtenteils sind es Neuerwerbungen. So gibt es eine Zeichnung Wilfried Laules einen Hinweis auf eine Kunstausstellung mit Bildern von ihm, die am 25. Mai eröffnet wird. Lebensläufe von Schwulen, egal ob berühmt oder nicht, stehen im Mittelpunkt des Interesses, keine abstrakten Größen also, genauso wie die Orte organisierten schwulen Lebens, also die Bars, Kneipen, Kaschemmen, Bäder und Saunen. Nicht zu vergessen die Parks, die Theater und dann Themen wie den Matrosenkult.

Ob es trotz Verfolgung und Ermordung von Schwulen während der Nazizeit ein schwules Leben gab, fragen die zehn Mitarbeiter des Museums und planen eine Ausstellung zum damaligen Alltag von Homosexuellen, für die sie nicht nur sammeln, sondern selbst mit Tonband und Videokamera Zeitzeugen befragen wollen. Beispiel dafür sind Nachlassbestände des Tänzer Kurt Lenz, der trotz seines Schwulsein während der „tausend Jahre“ aufgetreten ist.

Hinter dem Stichwort Obsessionen steht dann die Idee, Ausstellungen zu sexuellen Präferenzen zu machen: Aus dem Nachlass eines kürzlich verstorbenen Pfarrers werden fünf von knapp dreißig Aktenordnern ausgestellt, voll mit Collagen und Gedichten des Knabenliebhabers, der ob dieser Leidenschaften von seinem Amt suspendiert worden war. Wolfgang Theis, Mitarbeiter des Museums und Bewohner der allerersten schwulen Wohngemeinschaft: „Wir müssen mal was tun für die Minderheit in der Minderheit.“

Von 1950 bis heute hat ein Hamburger seine autoerotischen Aktivitäten per Photo festgehalten, Grundlage für das Projekt Autoerotik. Auch Fetischismus, Sadismus und Masochismus sollen in der Reihe Obsessionen gewürdigt werden. Angefangen mit solchen Sammlungen hat bereits Magnus Hirschfeld, aus dessen Sammlung noch ein kleines Holzkästchen mit „Liebesmitteln“  vorhanden und anzusehen ist.

Das Stichwort Verletzung der (Geschlechter-)Rollen ermöglicht eine Ausstellung zu Tunten und Transvestiten zugleich, die im Programm nicht fehlen dürfen: Eine Plakat der Sisters B oder ein Fummel vom Damendarsteller Hans Hardy Anton Krotoschin, der während der zwanziger Jahre aufgetreten ist, können vorab besichtigt werden. Dazu gehört das Thema Androgynität, nicht zuletzt als Gegenstand künstlerischen Schaffens.

Den Glaubenssatz, dass es per se schwule Kunst oder Literatur gebe, verwerfen die Freunde des schwulen Museums. Sie sammeln Kunst und Literatur von Schwulen oder solche, die Schwules thematisiert. Erforschen wollen sie die Funktion des Schwulenbildes im Film, Theater, Musik und Tanz. Das wird auch Thema einer Präsentation sein, die sie zum Schwulenbild im deutschen Film erstellen werden.

Im Herbst, anlässlich des Zwanzigjährigen ewigen Coming Outs der neueren studentischen (west)deutschen Schwulenbewegung werden noch einmal die, mit den eigenen Biographien der Initiatoren eng verknüpften und zumeist immer noch gültigen Fragen aufgegriffen. Überlieferungen der Protagonisten der ersten Schwulenbewegung können bereits jetzt besichtigt werden wie ein von Karl Heinz Ullrichs beschriebener Umschlag. Ullrichs kämpfte schon 1861 gegen den § 175 und hielt auf dem Juristentang 1886 eine flammende Rede für die Urninge, die, obwohl lateinisch gehalten, für Aufregung sorgte. Zu ihnen gehörte auch Magnus Hirschfeld, der Gründer des Wissenschaftlich-Humanitären Komitees, Begründer der Sexualwissenschaft, ebenso wie der Herausgeber der ersten Schwulenzeitung „Der Eigene“, Adolf Brand.

Kurator: Andreas Sternweiler