Pünktlich zum 100. Geburtstag der ersten Filmvorführungen am 1. November 1895 im Berliner Wintergarten präsentiert das Schwule Museum seinen Beitrag zum Gedenkjahr.
Frauen in Hosen und Männer in Röcken haben im Theater und im Varieté eine lange Tradition. Das neue Medium Film griff auf die bewährten Formen zur Erzeugung von Komik bereitwillig zurück. Je starrer die Geschlechtsrollen waren, desto derber fielen die Scherze aus, die diese Rollenfestlegung durchbrachen. Der Film mit seiner ungeheuren Potenzierung der Zuschauer nahm die derben Späße in sein Repertoire und entwickelte aus den Bühnenschwank ein eigenes Genre: die Travestiekomödie. Beim Austausch der Hosen und Röcken entstehen irritierende Situationen, die der Zuschauer mit seinen Erfahrungen füllt. Homosexualität wird nicht dargestellt, sondern nahe gelegt. Die Rollenüberschreitungen auf der Leinwand appellieren an die unterschwellig vorhandene Wünsche und Ängste, die im dunklen Kinosaal in Komik kanalisiert werden. Diese Ventilfunktion stützt die gesellschaftlich geforderte Normierung der Geschlechter. Subversiv ist die Mehrzahl dieser Filme keineswegs, was allerdings die Moralbastionen anders sahen. Ihnen galt jedwede Abweichung von der tradierten Geschlechterrolle als verwerflich. Noch den harmlosesten Film traf ihr Bannstrahl.
Die durch den Krieg beschleunigte Auflösung der starren Geschlechtsidentitäten gefährdet das Genre ernsthaft. Was vorher als anstößig oder zumindest als pikant galt, verkommt jetzt mehr und mehr zum Klamauk. Früher als Gefährdung der Jugend gescholtene Handlungsmuster mutieren zum Nachmittagsspass für die ganze Familie. Frischen Wind brachte hier die noch anrüchige Homosexualität. Stiegen vorher Frauen in Fräcke oder Männer in Röcke, um brenzligen Situationen zu entgehen oder sich die Vorteile des anderen Geschlechts zu erschleichen, waren es jetzt die Tunten und vereinzelt auch Lesben, die die Handlung vorantreiben und mit neuem Schwung versahen. Subversiv war das Resultat eher selten, komisch allemal.
Die Ausstellung präsentiert Marlene Dietrichs Frack, Lilian Harveys Degen aus Capriccio, den Helm, den Asta Nielsen als Hamlet trug, Divines Dessert aus Pink Flamingos, Kostümentwürfe, Plakate, Dokumente und Fotos, Fotos, Fotos. Gezeigt wird ein Video von Maria Schmidt, das aus den schönsten Travestieszenen aus über 50 Filmen kompiliert wurde.
Gewidmet sind Ausstellung und Filmreihe dem Andenken an Alf Bold und Manfred Salzgeber.
Kurator: Wolfgang Theis