„Ich brauch’ Tapetenwechsel sprach die Birke“, sang Hildegard Knef und schrieb fortan ihre eigenen Liedtexte. Auch im Alltag spricht man* von Tapetenwechsel, wenn die Situation grundlegend verändert werden soll. Tapetenwechsel ist mehr als Tünche, es ist eine einschneidende Veränderung, die aber doch nur einen neuen Hintergrund für das vorhandene Inventar abgibt. Eine Interpretationshilfe, eine andere Ansicht, nicht nur im Alltag sondern auch in Fragen der Selbstfindungen, der Theorien und Ideologien.
So kündigten wir vor einem Jahr den Überblick über unsere Sammlungen an. Wegen der Ausstellung Am I Dandy? wurde diese Selbstvergewisserung unterbrochen und wird nun erneut installiert. Natürlich ist sich die Präsentation nicht treu geblieben. Neue Einbauten im großen Ausstellungsraum bringen neue Möglichkeiten. Es wird umgehängt, erweitert und viel Neues kommt hinzu. Tapetenwechsel als Serie will beweglich bleiben, plant für das nächste Jahr immer wieder kleinere Präsentationen innerhalb einer sich ständig wandelnden Ausstellung. Einschübe, die nicht unbedingt aus unseren Sammlungsbeständen bestückt werden, gelten Themen, die im Laufe der Jahre als unerledigte Projekte aufgelaufen sind.
Als erstes zeigen wir Rock Hudson und die AIDS-Krise. Dies ist eine Kooperation mit dem Kölner Sammler Björn Klimek, der alles, was Sie schon immer über den letzten Superstar des Studiosystems Hollywoods wissen wollten, zusammengetragen hat. Wir werden jetzt nicht die spannende Geschichte seiner Karriere erzählen, sie wird nur kurz angerissen. Uns interessiert Rock Hudson als Gesicht von AIDS. Erinnern wir uns an die Hysterie zu Beginn der AIDS-Krise. Von der Strafe Gottes war die Rede, für das sündige Verhalten der Homos. Gauweilers Internierungsfantasien der HIV-Positiven wurden von der Presse aufgegriffen. Man unterstellte, Schwule würden sich nicht um die von der Krankheit Betroffenen kümmern. Die so genannte Schwulen-Pest war absolut tödlich. Es gab keine Behandlungsmöglichkeiten. Die Übertragungswege der Krankheit waren schnell bekannt. Todesmutige Prominente tranken im Fernsehen Wasser aus dem Glas von Kranken, um die irrationale Angst vor Ansteckung zu bekämpfen. Linda Evans, der Denver Clan-Star, wurde von Rock Hudson geküsst. Er hatte seine HIV-Infektion verschwiegen. Das Presseecho schwoll in Spekulationen, ob der Ansteckungsgefahr. Der virile Rock Hudson wurde über Nacht zum berüchtigtsten Homo Hollywoods. Liz Taylor und Doris Day setzten sich vehement für ihren Kollegen ein, andere Hollywoodstars folgten ihrem Beispiel. Rock Hudson wurde durch den Presserummel weltweit zum Gesicht von AIDS.
Eine weitere Neuerung innerhalb von Tapetenwechsel 2.0 ist die wechselnde Präsentation von Neuzugängen aus unserem Archiv. „Das Ovo kriegt in Bonn ʻnen Posten – denn wir wählen Christoph Josten“: Mit diesem Slogan gewann Ovo Maltine aus dem Stand 534 Stimmen im Wahlkreis Kreuzberg-Schöneberg für die Bundestagswahl 1998. Ovo Maltine, unsere geliebte und berühmte Kabarettistin und Tunte starb am 8. Februar 2005 an Lymphdrüsenkrebs, wahrscheinlich als Folge einer HIV-Infektion. Ihr Ovo-Altar wird aus den Beständen ihres Nachlasses von BeV StroganoV rekonstruiert.
Als aktuelles Pendant werden ab dem 29. März zehn Motive des Life Ball 2017 ausgestellt. Das jährlich vor dem Wiener Rathaus stattfindende Event ist das größte Aids-Benefiz der Welt. In einer sogenannten „Life Bible“ werden dieses Jahr aufwendige Fotoinstallationen nach Motiven von Otto Dix und der 30er Jahre gezeigt. In die Farbabbildungen sind Schwarz-Weißfotos eingebettet die Nationalsozialistische Bedrohungen direkt dem bunten Treiben von Anita Berber, Josefine Baker, Lili Elbe und Marlene Dietrich gegenüberstellen. Dabei viele Prominente wie z.B.: Conchita Wurst, Kelly Osbourne, Sunnyi Melles, Joey Arias & Gery Keszler (Initiator des Life Ball).
Ab Mai werden diese drei Ausstellungsteile dann weichen für die Schriftstellerin Simone de Beauvoir (1908-1986).
Im Herzen der Ausstellung wird eine Wand an die im KZ-Sachsenhausen ermordeten Schwulen erinnern. Konterkarierend erzählen wir von schwulen und lesbischen Karriere im Dritten Reich und vom Leben im Verborgenen. Kurt Hiller veröffentlichte 1922 seine Broschüre §175 – Die Schmach des Jahrhunderts. Auch zur Geschichte des §175 wird es Neues zu sehen geben.