„Die Unterbringung in einem KZ erscheint daher dringend erforderlich.“ Nach langwierigen Bemühungen ist es dem Schwulen Museum in Berlin und der Gedenkstätte Sachsenhausen gelungen, eine Finanzierung des seit Jahren geplanten Ausstellungsprojektes zu erreichen. Als Koproduktion der Länder Berlin und Brandenburg, anteilig finanziert durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin und das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, wird die Ausstellung in zwei unabhängigen Teilen in der Gedenkstätte Sachsenhausen und im Schwulen Museum in Berlin gezeigt.
Schwerpunkt der Ausstellung sind Verfolgung und Überleben der Berliner Homosexuellen und ihre Situation im KZ Sachsenhausen. Mit dem Jahr 1933 begann auch für sie eine Entwicklung, die zur Frage des Überlebens wurde. Das Netz der bisher größten schwulen Gemeinde Deutschlands mit seinen rund hundert Lokalitäten, drei deutschlandweiten Dachorganisationen, zahllosen Untergruppen und Verlagen wurde zerschlagen.
Nach dem sogenannten „Röhm-Putsch“ vom Juni 1934 setzte die gezielte Verfolgung der Homosexuellen ein. Gelenkt wurde sie von der Schaltzentrale des Nazi-Terrors in der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin. Razzien, Verhaftungen, Folterungen, Einweisungen in die KZs, verschärfte Urteile und Haftstrafen waren auch in der Reichshauptstadt die Folge. In den ersten Jahren kamen die Berliner Homosexuellen in die Gefängnisse und Zuchthäuser Tegel, Moabit, aus Berlin über ein Drittel aus. Luckau, in die Moorlager, in die KZ Lichtenburg und Sonnenburg. Nach der Errichtung 1936 wurde das Modell-KZ Sachsenhausen bei Berlin bis zur Befreiung 1945 für die Aufnahme der Schutzhäftlinge Berlins und Preußens zuständig. Unter den namentlich bekannten homosexuellen Häftlingen, über die noch Angaben zum Herkunftsort existieren, machen diejenigen Die Einweisung in ein KZ als äußerstes Mittel nazistischer Machtausübung betraf einen kleinen Teil der Homosexuellen, den weitaus größeren Teil schüchterte sie ein und die Angst vor Folter und KZ verhinderte eine freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Auch dieses Leben unter dem Terror wird anhand einzelner Schicksale dargestellt. Themen wie Selbstmord aus Angst vor Verhaftung und Gewalt, Flucht und Exil, Freundschaften und Solidarität, Anpassung an ein Leben in Unterdrückung, aber auch das Widerstehen gegen staatliche Willkür und die Mittäterschaft von Homosexuellen werden beleuchtet.
Daneben werden die Instrumente des staatlichen Terrors in Berlin anhand der Zusammenarbeit von Kriminalpolizei, Gestapo und Justiz dokumentiert. Ziel ist es, die Verfolgung in all ihren Momenten, insbesondere den chronologischen Unterschieden aufzuzeigen. Die Härte staatlicher Willkür variierte, sie steigerte sich nach Kriegsbeginn um ein vielfaches. Kam es bis 1939 noch zu Entlassungen aus den KZs, so geschah dies nach Kriegsbeginn nicht mehr. Der Runderlass des Reichssicherheitshauptamtes vom 12. Juli 1940 legalisierte eine Einweisung in ein KZ ohne ein weiteres Gerichtsurteil. Mit einem lapidaren Satz schrieb Himmler den Tod vieler Homosexueller fest: „Ich ersuche, in Zukunft alle Homosexuellen, die mehr als einen Partner verführt haben, nach der Entlassung aus dem Gefängnis in polizeiliche Vorbeugungshaft zu nehmen“. Vorbeugehaft bestand damals automatisch in der Einweisung in ein KZ.
So nimmt die Darstellung der Homosexuellen in den Konzentrationslagern, und hier des für Berlin in den Jahren 1936 bis 1945 zuständigen KZ Sachsenhausen, in der Ausstellung breiten Raum ein. Die Zuweisung der Homosexuellen bei einer Einlieferung in den Jahren 1940-42 in die SK, „Sonderkommando“ oder „Strafkompanie“, verdeutlicht ihre zusätzliche Ausgrenzung im Lager. Mit dieser Einstufung verbunden waren die härtesten Arbeitskommandos im Lager, die „Schuhläufer“, das „Klinkerwerk“ und die „Tongrube“. Eine gezielte Vernichtungsaktion überliefert der Bericht des politischen Häftlings Emil Büge über die Mordaktion an Homosexuellen im Klinkerwerk im Sommer 1942. Seine Unterlagen weisen für den Zeitraum von April 1940 bis Juni 1942 insgesamt 395 getötete Homosexuelle auf.
Neben dem Versuch einer kollektiven Darstellung soll das individuelle Schicksal einzelner Homosexueller in der Ausstellung hervorgehoben werden. Nur am einzelnen Fall lassen sich die unterschiedlichen Lebenshintergründe aufzeigen, die Verbindungen zur Jugendbewegung, schwulen Selbstorganisationen, politischen Gruppierungen, Widerstandskreisen, den Kirchen. In den Anschuldigungen und Anklagen vermischen sich oftmals die einzelnen Bereiche. Darüberhinaus hat eine am Einzelschicksal orientierte Darstellung den Vorteil, dem Besucher den Zugang zum Thema zu erleichtern.
Kurator: Andreas Sternweiler