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Ehrenamtliche*r des Monats: Dietgard Salein

1. November 2019

„Hier fühle mich unter Freunden und Freundinnen“

Dietgard Salein, 54, unterrichtet hauptberuflich Konfliktmanagement, Kunst und Philosophie der Renaissance – und arbeitet ehrenamtlich in der Bibliothek des Schwulen Museums. Im Interview erzählt sie von ihren liebsten Büchern, von ihrer Tochter, die sie überhaupt erst ins Museum brachte; und warum sie sich bei uns immer unter Freund*innen fühlt.

SMU: Liebe Dietgard, erzähl doch mal aus deinem Leben vor dem Schwulen Museum.

Dietgard: Na gut, ganz kurz: Ich bin in Berlin geboren, habe mal Kunstwissenschaft und Philosophie mit Schwerpunkt Italien und klassischer Antike studiert, ein Jahr in Rom gelebt und bin nach dem Studium in einer großen deutschen Bank gelandet. Ich habe dort erzählt, Kunst habe doch immer viel mit Geld zu tun, das hat sie wohl überzeugt.

Was hast du da gemacht?

Ich habe einige Jahre den Führungsnachwuchs rekrutiert, was sehr schön war. Später auch im Marketing und im Wertpapierbereich gearbeitet. Dann wollte ich ein Kind, habe das geplant und 1998 auch bekommen. Die Idee, Hausfrau und Mutter zu sein, fand ich eigentlich ganz gut. Aber es macht Schnipp, und ich hatte die nächsten Jobs. So kam ich in die Erwachsenenbildung und habe immer mehr Aufträge als Selbstständige angenommen, als Beraterin und Referentin oder auch Konzept-Entwicklerin.

Wann hattest du das erste Mal mit dem Schwulen Museum zu tun?

Eigentlich schon 1984, mit der großen Eldorado-Ausstellung über schwul-lesbische Geschichte, aus der das Schwule Museum ja hervorgegangen ist. Ich hatte gerade angefangen zu studieren und diese Ausstellung war für mich wie ein Coming In: Da war diese Welt, die ich gerade für mich entdeckt hatte und merkte dann, dass ich darin nicht allein bin. Später wollte ich dann immer ins Schwule Museum gehen, hatte aber in meinen Jahren bei der Bank für Museen einfach keine Zeit. 

Wie bis du dann als Ehrenamtliche dort gelandet?

Das war Zufall, oder eher: Schicksal. Im Mai 2017 ging meine Tochter zur Ehrenamtsbörse, weil sie was mit Theater machen wollte. Da kam sie am Stand des Schwulen Museums vorbei und fragte die einfach: Habt ihr was für meine Mutter? Die Antwort war: Die soll sich melden, wir haben für jeden was. Und da habe ich es gewagt auf die Seite zu gucken und sah dann – zumindest in meiner Wahrnehmung – blinkend in Neonrosa: Komm zu uns, wir suchen jemanden für die Bibliothek.

Warum wolltest du in die Bibliothek?

Ganz einfach: Ich liebe Bücher und ich liebe Bibliotheken. Es gibt nichts Wichtigeres als Wissen und dort ist es zu finden.

Was machst du dort genau?

Ich sitze da, warte auf Nutzer*innen und dränge ihnen meine Hilfe auf. Ganz toll ist es, wenn es jemand ohne viel Bibliothekserfahrung ist, zum Beispiel Leute, die noch zur Schule gehen oder die neu im Studium sind. Ich helfe ihnen rauszufinden, was sie mit ihrem Thema machen können, mache selbst Vorschläge und suche mit, was bei uns zum Thema zu finden ist. Am Anfang dachte ich, ich setze mich da hin und passe auf, dass keiner die Bücher weg trägt. Damit wäre ich schon glücklich gewesen. Dass da aber so ein großes soziales Leben dran hängt, das hätte ich gar nicht zu hoffen gewagt.

Wie sieht dieses soziale Leben aus?

Ich komme hier her und fühle mich unter Freunden und Freundinnen. Manchmal bin ich zwei- bis dreimal die Woche da, manchmal auch zwei Wochen nicht. Es ist schön, dass ich das so einteilen kann. Wenn ich keine Zeit habe, dann ist das okay. Und wenn ich die Hausflucht habe, dann kann ich herkommen und finde immer jemanden zum Quatschen.

Was gefällt dir besonders am Museum?

Der wirklich offene, entspannte und wertschätzende Umgang miteinander. Klar gibt es auch Diskussionen, aber ich habe an keinem Ort soviel Bemühen erfahren, miteinander klarzukommen. Ich merke, dass sich alle anstrengen, nett miteinander umzugehen und Vorurteile abzubauen. Das ist schon einzigartig

Zum Schluss noch zurück zu den Büchern: Was liest du selbst gern?

Alles von der Familie Mann, vor allem Thomas und Klaus. Fontane liebe ich. Platon. Und natürlich Ralf König