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Ehrenamtliche*r des Monats: Janika Seitz

1. Oktober 2021

Janika Seitz ist eine hobbylose Person mit umso mehr Interessen: von der gelegentlichen Schmetterlingszucht über Fanfiction bis zur Literaturtheorie weiß sie über vieles zu erzählen. Seit Frühling 2021 ist sie außerdem als Ehrenamtliche in der Bibliothek des Schwulen Museums tätig, wo sie besonderen Gefallen an Widmungen in weitergeschenkten Büchern und fremdsprachiger Literatur findet. Über die Beweggründe ihres ehrenamtliches Engagement und wie das Schwule Museum ein noch offenerer Ort werden kann hat sie mit uns im Interview geredet.

SMU: Janika, magst du dich vorstellen?

Janika: Ich bin Janika und bin Ehrenamtliche im Archiv und in der Bibliothek und versuche hier erst mal, alles Mögliche kennenzulernen. Ich finde diese Frage allgemein immer sehr schwierig. Viele Menschen antworten immer mit ihrer Arbeit, wenn sie sich beschreiben – oder mit ihren Kindern oder Tieren und dann mit Sport. Und das sind alles Sachen, worüber ich mich nicht definiere. Ich bin einfach ein „hobbyloser“ Mensch, der schon länger in Berlin lebt. Und ich fand diese Frage schon als Kind schwierig, wenn man in Freundschaftsbüchern ausfüllen musste, was man werden möchte und was die Hobbys sind. Da stand bei mir auch immer nur „lesen“. Aber ich habe viele Interessen. Das funktioniert Hand in Hand: Wenn man wenig Hobbys hat, die Verpflichtungen mit sich bringen oder viel Zeit in Anspruch nehmen, wie Kleingärtnern oder Kytesurfen, dann hat man sehr viel Zeit irgendwo rumzulatschen, mit Leuten zu quatschen und online und offline Zeug zu lesen. Da findet man immer spannende Sachen.

Nur weil es mich interessiert: Hast du nun Tiere?

Ich habe keine Tiere. Ich wünschte mir immer, ich hätte eine Katze. Aber in einer Wohnung in Berlin ist das Quatsch. Und ich hatte mal für eine kurze Zeit Schmetterlinge, die ich zum Geburtstag als Raupen bekommen habe. Dann haben sie sich fett gefressen und verpuppt. Meine Güte, war das ein Stress! Ich hatte die ganze Zeit Angst, dass sie verhungern, dass ich verpasse sie freizulassen oder dass sie sterben. Und dann bin ich früher nachhause gegangen von einer Veranstaltung, weil ich wissen wollte, ob meine Schmetterlinge jetzt flügge sind. Das ist mir alles zu anstrengend…

Und wie hat es dich zu uns verschlagen?

Ich habe früher hier im Kiez gewohnt, in der Bülowstraße. Das Schwule Museum ist natürlich kiezbekannt. Und ich habe vor einigen Jahren auch die große Ausstellung „Homosexualität_en“ im Deutschen Historischen Museum gesehen und mich dadurch auch mit den Ausstellungen hier im Haus mehr auseinandergesetzt. Als ich mich letztes Jahr während der Pandemie damit auseinandergesetzt habe, womit ich mich weiter beruflich beschäftigen möchte, waren das eben Bibliotheken und Archive aber auch mit einem thematischen Fokus – also nicht wie in einer Stadtbibliothek, die alles sammeln. Wir haben hier auch viel Geschichtsschreibung oder Thematiken, die normalerweise oft nicht gesammelt werden oder die Gemeingesellschaft nicht so viel Wert darauf legt.

Hast du schon besonders spannende Bücher oder Dokumente gefunden?

Ich habe vorhin zum ersten Mal länger Bücher in die Regale eingeräumt und ich fand sehr spannend, wie viele Werke von Roland Barthes, Michel Foucault und Jacques Derrida hier im Regal stehen, aber unter der Rubrik „Weltanschauung“ . Das empfinde ich als lustig, weil ich glaube, dass sich alle drei Philosophen im Grab umdrehen würden, wenn sie unter „Weltanschauung“ und nicht „Kritischer Theorie“ oder so etwas Ähnlichem laufen. Ansonsten bin ich immer überrascht, was für partikulare Sachen es gibt. Heute habe ich Bücher auf Albanisch und Serbisch ins Regal einsortiert. Das find ich auch ganz fabelhaft, dass es nicht nur deutsch- und englischsprachige Publikationen gibt, sondern auch in Sprachen, die weniger Leute sprechen.

Was machst du in der Bibliothek sonst noch alles?

Ich habe diesen Ort in letzter Zeit auch sehr stark dafür benutzt, meinem eigenen Homeoffice zu entfliehen, weil ich nach so vielen Monaten nicht mehr an meinem Küchentisch arbeiten kann. Ich fand es einfach umwerfend, endlich wieder in dieser Bibliotheksathmosphäre zu arbeiten. Die Wissenschaftler*innen, die hier ihre Forschung machen, waren meine Motivation, auch fleißig zu sein. Ich habe hier sehr viel produktiv für mein Studium lesen können.

Weshalb engagierst du dich ehrenamtlich?

Meine Motivation, mich hier ehrenamtlich zu engagieren sind die alternativen Geschichtsschreibungen und die Bestände hier vor Ort. Es ist einfach wichtig, dass es dafür Ressourcen und Quellen gibt – und diese zugänglich zu machen und halten. Und das nicht nur vor Ort im Regal, sondern eben auch in digitalen Katalogen oder Datenbanken. Die Institutionen Museum oder Bibliothek sind für viele Leute verschlossene Orte und das Internet ist einfach der schönste und offenste Ort. In digitalen Repositorien kann man einfach mal recherchieren, was die Bibliothek oder das Archiv im Bestand haben. Und ich glaube aber, dahingehend gibt es noch viel zu tun.

Und was wünscht du dir zurzeit für dich?

Dass ich meine Museumsgänger*innen-Praktik wieder bisschen hochfahre, weil da bei mir durch die Pandemie eine komplette Entwöhnung stattgefunden hat. Und auch meine Art der Verabredung mit Freund*innen hat sich verändert. Ich hatte dann nur noch eine Verabredung für genau eine Sache mit einer Person und dann ist das Treffen vorbei. Und ich komme sonst hauptsächlich in Kulturinstitutionen, indem ich irgendwo einen Flyer sehe und mir denke: „He, cool, das ist jetzt gerade. Hier ist eine Vernissage, da gehe ich jetzt rein.“ Und dann kommt eines zum anderen. Und im Moment habe ich überhaupt keine Ahnung mehr, was in Berlin gerade los ist. Das möchte ich gerne wieder ändern.