„Man darf kein bloßer Zuschauer seiner Zeit sein”
Karoline Möbius-Woll arbeitet im Schwulen Museum ehrenamtlich in der Museumsaufsicht, an der Kasse und im Café. Im Interview erzählt sie, wie es dazu kam.
SMU: Liebe Karoline, was hat dich im Leben vielleicht am Frühesten geprägt?
Karoline: Ich bin in Nordhessen geboren, auf einem Bauernhof mitten im Wald. Dort hat vieles, was mich im Leben angetrieben hat, seinen Ursprung. So habe ich einen Faible für alte Dinge, ich liebe es sie um mich zu haben. Ebenso bin ich immer auf der Suche nach Ursprung und Entwicklung – von Ideen,Gegebenheiten und so weiter. Wie und warum etwas so geworden ist, wie ich es vorfinde.
Und wer war dabei besonders wichtig?
Ich hatte eine Großmutter, die für mich sowohl Anker als auch Kompass war. Ihre Erfahrung reichte ins 19. Jahrhundert zurück und sie erzählte mir von diesen Erfahrungen und auch deren Konsequenzen. Eine davon war: Man darf kein bloßer Zuschauer seiner Zeit sein, Ungerechtigkeiten darf man nicht einfach dulden, sondern man hat sich dagegen zu stellen. Auch deswegen habe ich Philosophie und Vergleichende Religionswissenschaften studiert, mit dem Ziel, zu verstehen, wie Denk-und Handlungssysteme entstehen. Wichtig waren für mich Denkerinnen wie Hannah Arendt, die Klarheit ihres Denkens ist wunderbar. Oder Jehuda Aschkenasi, mein jüdischer Lehrer. Er hat Auschwitz überlebt, war aber voller Hoffnung, was die Fähigkeit der Menschen zur Menschlichkeit angeht.
Wie ging es mit deiner beruflichen Laufbahn weiter?
Ich habe in meinem Leben verschiedene Tätigkeiten ausgeübt. Die längste Zeit aber war ich Ethiklehrerin in einer der katholischsten Gegenden Deutschlands. Mit meinem Mann zusammen habe ich eine Tochter und zwei Söhne großgezogen. Mittlerweile habe ich auch eine Enkelin und einen Enkel.
Wie kam es zu dem Engagement im Schwulen Museum?
Als Lehrerin hatte ich Berufsschul- und Berufsoberschulklassen. Dort begegneten mir viele junge, in der Seele getroffene Homosexuelle. In der Seele getroffen, weil man ihnen mit den altbekannten (oft religiös begründeten) Vorurteilen begegnete. Ich setzte mich damals schon für sie ein und beschloss, wenn ich in Rente gehe, werde ich mich in der Community engagieren. Das habe ich dann gemacht. Die Möglichkeit ergab sich durch die Ehrenamtsbörse im Roten Rathaus.
Was schätzt du am Museum?
Ich glaube, dass dieses Museum ein notwendiges Projekt ist. Die Einträge im Gästebuch und die Gespräche mit Besucher*innen zeigen, das es ein Ort ist, an dem sie ihr Leben dokumentiert sehen. Ich kann nachvollziehen, dass dies sehr wichtig ist. Daran will ich mitwirken. Gleichzeitig ist es ein Ort, an dem Herzlichkeit und ein Wohlwollen zu Hause sind. Die, die ich dort treffe, sind Menschen mit sehr eigenen Lebensentwürfen, mit Nachdenklichkeit und – ich weiß das Wort ist gerade überall – Achtsamkeit. Was mir gefällt.
Was wünscht du dir vom SMU für die Zukunft?
Gerade dieses Museum muss immer Stellung beziehen.