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Ehrenamtliche*r des Monats: Klaus Kruska

1. August 2020

„Wir sind kein schwules Museum mehr, sondern ein queeres Museum“

 

Klaus Kruska ist aus dem Schwulen Museum nicht wegzudenken. Kein Wunder, denn er gehört zu den Ehrenamtlichen, die schon am längsten für das Museum und seine Besucher*innen da sind. Klaus erzählt uns im Interview vom ehemaligen Museumsstandort am Mehringdamm und seiner Jobsuche als schwuler Theologie-Absolvent in der DDR während der späten 1960er Jahre.

 

SMU: Lieber Klaus! Erzähl mal, wie lange bist du denn schon im Schwulen Museum?

Seit 2009. Das ist jetzt das 11. Jahr. Da waren wir noch im alten Haus in einem Hinterhof am Mehringdamm in der Nähe von der Bergmannstraße. Das hatte zwar nicht den Komfort, den wir heute haben. Ganz im Gegenteil war es besucher*innenunfreundlich: Menschen mit Rollstuhl konnten nicht in die Ausstellungsräume in der ersten und zweiten Etage, weil die Fahrstühle viel zu eng waren. Es war also ungeeignet, aber es hatte einen ganz besonderen Charme, der von der Location über die Mitarbeitenden bis zu den Besucher*innen ausgestrahlt hat. Es gab eine sehr familiäre Atmosphäre, die so heute – ich sag das gar nicht kritisch – nicht mehr existiert.

 

Was hat diesen Charme ausgemacht?

Das Familiäre und das Improvisierte, aus allem das Beste zu machen und das auf die Besucher*innen zu übertragen. Wir hatten nur eine Mini-Küche, in der es nur eine Spüle gab, einen Kühlschrank und auch kein warmes Wasser. Wir konnten dort nur Kaffee kochen. Aber wenn wir Ausstellungseröffnung hatten, mussten wir das alles wuppen, was wir jetzt hinter einen tollen Bar machen. Die Tische zum Ausschank wurden auf den Hof gestellt und die wenigen Gläser mussten im Nu gespült werden. Da haben alle mitgeholfen. Es war anstrengend, hatte aber auch was.

 

Was war dein schönstes Erlebnis in deinen 11 Jahren im Schwulen Museum?

Das kann ich eigentlich nicht beantworten. Aber ich hatte ein schlechtestes Ereignis. Im alten Haus waren wir gerade am Schließen, da kam eine Horde rechter Glatzköpfe, die schon etwas angetrunken waren. Sie steuerten brüllend direkt aufs Museum zu. Ich hab nichts anderes getan als abgeschlossen und mich in eine Ecke verdrückt und dachte: „Was machst du jetzt?“ Es hat sich dann entspannt, weil es Solidarität von Nachbar*innen wie dem SchwuZ und anderen Kolleg*innen gab. Man konnte dann eine Tür öffnen und die rechten Glatzköpfe entpuppten sich als gar nicht mal so aggressiv und schwulenfeindlich. Ich konnte dann aufatmen und das Museum im Anschluss schließen. Es war aber eine heikle Situation.

 

Du arbeitest jetzt an der Kasse im Museum? Bekommst du mit, was der erste Eindruck der Besucher*innen ist?

Auf den ersten Blick nicht. Wir haben vorwiegend junge Tourist*innen hier, die zum ersten Mal zu uns kommen. Wenn sie dann das Museum gesehen haben und aus dem Museum rausgehen, bekommt man jedoch sehr viel positive Resonanz: „Tolle Ausstellung!“ oder „Tolles Haus!“ Die Berliner Besucher*innen sind oft erstaunt über die Größe des Museums, weil sie bloß das alte Haus kennen. Viele vor allem ältere Personen bemängeln, dass es keine Dauerausstellung gibt. Im alten Haus gab es eine Ausstellung, die 150 Jahre schwule Geschichte gut im Rundgang dargestellt hat. Die hätte man so nicht übernehmen können und deswegen wurde das auch nicht gemacht. Das Museum hat sich ja weiterentwickelt in den letzten Jahren. Wir sind in dem Sinne kein schwules Museum mehr, sondern ein queeres Museum. Dennoch glaube ich, dass es neben Wechselausstellungen eine neue Dauerausstellung geben sollte. Nicht 150 Jahre schwule Geschichte, sondern 150 Jahre queere Geschichte, die lesbische und trans* Geschichte mit aufnimmt. Und Wissen vermittelt, das zu den jeweiligen Sonderausstellungen führt.

 

Was machst du denn, wenn du gerade nicht im Museum bist?

Ich bin ja viel hier und das mache ich auch gerne. Ansonsten bin ich mit meinem Lebenspartner zusammen im Ruhestand. Wir hatten 20 Jahre eine Ticket-Theater-Kasse für große Rockkonzerte oder auch die Philharmonie in der Nähe vom Kurfürstendamm. Vor 10 Jahren haben wir das aufgegeben, machen es aber noch privat mit alten Stammkunden – aktuell geht das aber nicht, weil wegen Corona alles auf Null steht.

 

Was hast du davor gemacht?

Ich hab Theologie studiert, aber nach dem Studium bin ich aus vielerlei Gründen nicht ins Pfarramt gegangen. Durchs Studium habe ich einen Zugang zum Glauben bekommen, wodurch es mir schwer fiel, einen schlichten Glauben zu vermitteln, wie es viele Leute wollen. In den späten 60er Jahren in DDR war es außerdem noch eine Schwierigkeit mit dem Schwulsein. Als Vikar hätte ich in einem brandenburgischen Dorf beginnen müssen. Da hätte man sich schon gewundert: „Warum sieht man ihn immer allein? Er ist nicht verheiratet!“ Und das Schwulsein hätte ich dort nicht ausleben können. Dann hatte ich großes Glück, weil die Berufschancen außerhalb des kirchlichen Diensts Null waren. Über Kontakte hatte ich eine Stelle bei den Staatlichen Museen in Berlin bekommen und war dort in der Generaldirektion. Nach meiner dreijährigen Assistenz wurde ich Mitarbeiter im Kunstgewerbemuseum Köpenick und hab dort Public Relations gemacht.

 

Gibt es etwas, was du dir für die schwule oder queere Bewegung wünscht?

Mehr Toleranz! Mehr Toleranz und Gleichberechtigung gegenüber den Bewegungen in der queeren Entwicklung. Von der queeren Seite wird manchmal zum Beispiel etwas mit schiefem Blick auf die sogenannten schwulen alten weißen Männer gekuckt. Da fühl ich mich abgewertet und das sollte nicht Raum greifen. Denn auch die alten, weißen schwulen Männer haben ihren Teil dazu beigetragen, dass heute Dinge möglich sind, die man sich früher gar nicht hätte vorstellen können.