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Ehrenamtliche*r des Monats: Maria Bormuth

2. April 2020

„Plötzlich habe ich überall Klappen gefunden”

Seit acht Jahren gehört Maria Bormuth zum Team der Ehrenamtlichen im Schwulen Museum. Im Interview spricht die gelernte Historikerin über ihr Engagement, ihre Forschung zum Thema Aids und ihre Faszination für schwule Klappenkultur. 

Liebe Maria, stell dich doch mal kurz vor: Woher kommst du, was machst du hauptberuflich, was sind deine größten Hobbies und Leidenschaften?

Ich bin Maria, 36 Jahre alt, geboren in Bremerhaven, aufgewachsen in Frankfurt am Main, und seit 2003 in Berlin. Ich habe Geschichte studiert und arbeite heute als freie Historikern, ich bin aber auch damit beschäftigt, größere Veranstaltungen zu organisieren. Wenn ich nicht im Schwulen Museum bin oder woanders arbeite, bin ich gern mit meinen zwei Hunden draußen, Sherlock und Fiete. Prinzipiell reise ich gerne – so gut das mit zwei Hunden und so vielen Jobs geht.

Wie bist du mit dem Schwulen Museum in Berührung gekommen?

Das war 2012. Ich habe damals nach einem neuen Thema zum Forschen gesucht. Ich habe lange für die Berliner Aids-Hilfe gearbeitet und mich sehr viel mit der Geschichte von HIV beschäftigt – da war der Weg ins SMU relativ kurz. Ich habe mir dann im Mehringdamm die damalige Dauerausstellung angeguckt und gedacht, da könnte ich mitarbeiten, das könnte Spaß machen. Mein erster Arbeitstag war die Eröffnung der Christa-Winsloe-Ausstellung – Mädchen in Uniform. Danach wollte ich nicht mehr weg.

Was machst du im Museum?

Im alten Haus war ich die ersten Wochen in der Aufsicht, dann habe ich in den Bibliotheksdienst gewechselt. Die neue Bibliothek brauchte Leute für den Empfang. Inzwischen arbeite ich im Archiv. Angefangen habe ich dort wie eigentlich alle anderen im Archiv auch: eine wild gemischte Mix-Kiste mit allem möglichen Material auszuräumen und alles so zu verteilen und zu ordnen, dass es passt. Zuletzt habe ich am Bestand über Neonazis gearbeitet.

Wie sieht dieser Bestand aus?

Im Grunde waren das zwei große Kisten, da stand außen drauf „Neonazis“ und drinnen war ein Sammelsurium an Zeitungsartikeln, Flyern, Prospekten und Dokumenten – alles zum Thema Neonazis, viel aus den achtziger Jahren, einiges aus den Neunzigern. Es ging viel um den leitenden Neonazi Michael Kühnen, der selbst homosexuell verkehrte, über Homosexualität theoretisierte und später an den Folgen von Aids gestorben ist; aber auch um Gewalt und Übergriffe auf Homosexuelle durch Nazis und um Aktivismus gegen Neonazis. Ich habe eine Struktur entwickelt, die mir sinnvoll erscheint, und alles unter 15 bis 20 Stichpunkten geordnet. Da habe ich die jeweiligen Archivalien einsortiert. Jetzt müssen nur noch die Hauptamtlichen finden, dass das eine sinnvolle Aufteilung ist, dann kann der Bestand als erschlossen zur Verfügung gestellt werden. Ich habe auch schon ein Findbuch vorformuliert. Darin wird erklärt, woraus die Sammlung grob besteht, welchen Zeitraum sie umfasst und aus welchen Quellen sie stammt. 

Du arbeitest momentan auch als Honorarkraft im Museum, wie kam es dazu?

Ich engagiere mich bei der Deutschen AIDS-Hilfe in einem Arbeitskreis zum Thema Aids-Geschichte, insbesondere für ein Projekt mit dem Schwerpunkt Oral History – also Interviews mit Zeitzeug*innen über HIV- und Aids-Aktivismus in Berlin. In Kooperation mit dem Schwulen Museum und der Humboldt-Uni haben wir Fördermittel dafür beantragt, diese wurden bewilligt. Da ich als Projektleiterin eingetragen war, koordiniere ich das Projekt nun als Honorarkraft. Am Ende sollen die Interviews ab dem Spätsommer auf einem Internet-Portal der HU und auf der Seite des Museums präsentiert werden, dazu soll es Veranstaltungen geben. Dazu arbeite ich ehrenamtlich an einer begleitenden Ausstellung im Schwulen Museum mit, die unabhängig vom eigentlichen Projekt entsteht, aber etwa zeitgleich laufen soll – wobei die Covid-19-Pandemie den Zeitplan gerade sehr infrage stellt.

Warum ist das Schwule Museum wichtig?

Ich finde, es ist super wichtig, dass Geschichte nicht immer nur aus den großen Erzählungen besteht; sondern dass auch die Multiperspektiven wahrgenommen und aufgearbeitet werden, die es immer gab, aber nie viel Gehör fanden. Es gibt ja zum Glück mittlerweile mehrere Bewegungsarchive, in denen das auch umgesetzt wird. Das Schwule Museum ist da einfach ein großer Player und hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese „andere” Geschichte zu bewahren und zu präsentieren. Ich mag auch, dass wir hier so viele Ehrenamtliche sind, die sehr engagiert sind und auch viel an Entscheidungsprozessen teilhaben, dass es sehr partizipativ zugeht – als Vertreterin der Ehrenamtlichen habe ich mich einige Jahre sehr aktiv in diese Struktur eingebracht. Da gibt es zwar manchmal Konflikte, aber grundsätzlich finde ich das sehr schön. 

Wie viel Zeit verbringst du im Museum?

Im Moment sitze ich ja wie alle anderen auch im Homeoffice fest. Normalerweise versuche ich, mein Ehrenamt immer auf vier bis sechs Stunden in der Woche zu halten, unabhängig davon, ob ich gerade viele andere Dinge zu tun habe. Ich versuche, es nicht zu übertreiben, kann das aber nicht immer halten. Jetzt gerade, wo ich auf Honorarbasis arbeite, aber ehrenamtlich auch noch die dazugehörige Ausstellung mit vorbereite, überschneidet sich das sowieso die ganze Zeit.

Welche Ausstellung ist dir besonders in Erinnerung geblieben?

Meine absolute Lieblingsausstellung war Ende 2017 das Fenster zum Klo über schwule Klappen-Kultur. Ich kann gar nicht sagen, was diese Ausstellung mit mir gemacht hat, ich fand das so unfassbar spannend. Weil das auch ein Thema ist, das mir vorher nahezu komplett unbekannt war. Als die Ausstellung lief, bin ich gerade für ein Forschungsprojekt für ein Jahr nach Braunschweig und Wolfenbüttel gegangen – mit meinem neuen Wissen habe ich dort plötzlich überall Klappen gefunden. Auf die Suche hätte ich mich ohne die Ausstellung gar nicht erst begeben.