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Ehrenamtliche*r des Monats: Michael Waentig

1. April 2022

„Es ist der Ort, an dem besondere Lebensweisen sichtbar gemacht werden.“

Michael Waentig ist schon seit 2016 im Schwulen Museum ehrenamtlich beschäftigt. Im Archiv lebt er seine Fähigkeit der systematischen Arbeitsweise frei aus. Neben der Leidenschaft rund um das Umfeld der Kulturszene gab es einen auschlaggebenden Grund, welcher Michael zum Ehrenamt geführt hat. Mehr dazu erfährt ihr hier im Interview.

SMU: Hallo Michael! Stell dich gerne in drei kurzen Sätzen vor.

Michael: Ich bin in Berlin geboren, war zwischenzeitlich ansässig in Köln, wohne aber erst seit 2000 wieder in der Bundeshauptstadt. Mein Beruf als Architekt und Stadtplaner hat mich als Ergebnis der Wende wieder in meine Heimatstadt gespült, worüber ich sehr froh bin. Schon vor 2000 war ich aber sehr häufig, fast jährlich in Berlin. Fortbildung, Besuch von Verwandten und Freunden.

Was sind deine Hobbies?

Ich habe nicht viele Hobbies, ich mache dies und das. Ich war viele Jahre Hobbygärtner in einem Schrebergarten am Rande des Grunewalds. Ich habe das mit großer Leidenschaft gemacht und viele Experimente durchgezogen. Heute fehlt mir der Garten.
Und dann natürlich Kultur. Wenn ich meinen Hang zu vielen Dingen, die unter den Begriff „Kultur“ fallen, also, Theater, Musik, Tanz, Kunst und Literatur, mal als generelle Leidenschaft zusammenfasse, dann hat sich in den letzten Jahren die Berlinale als Hauptleidenschaft herauskristallisiert, also Kino, Film, Queer Cinema ganz allgemein. 2010 hatte ich das Glück in der Jury der Goldelse mit dabei zu sein, was meine Neigung natürlich verstärkt hatte.

Und wie bist du dann zum ersten Mal mit dem Schwulen Museum in Berührung gekommen? Wann und wie begann Dein ehrenamtliches Engagement im Haus?

Man kann es fast banal nennen: Anfang der achtziger Jahre habe ich im damaligen Berlin Museum Andreas Sternweiler kennengelernt, der ja kurz darauf, zusammen mit Freunden das Museum gründete. Ab dieser Zeit habe ich aus der Ferne immer seinen Weg verfolgt und bei meinen Aufenthalten in Berlin das Museum und seine Ausstellungen u.a. 1997 die große Ausstellung in der Akademie der Künste besucht.
Ende 2015 habe ich dann sehr zielorientiert zusammen mit meiner amerikanischen Nichte das neue Museum in der Lützowstraße besichtigt. Der besondere Anlass war für mich, dass ihr Sohn sich kurz zuvor geoutet hatte. Dadurch war auch das Interesse meine Nichte an queeren Themen gewachsen. Im Museum entdeckte ich den Flyer für das Ehrenamt. Dann habe ich mir gedacht: „Der Junge ist so mutig und outet sich“. Ich habe das nie in dem Umfang gemacht und habe auch nie einen Grund darin gesehen. Zwar war mir damals nicht so klar wie heute, dass das Museum nur durch die ehrenamtlichen Kräfte existieren kann, aber ich hatte das Bedürfnis quasi den Mut meines Großneffen zu belohnen. Ich habe dann eine Art Bewerbung geschrieben und wurde zu einem Gespräch eingeladen.

Was machst du genau im Museum?

Seit Anfang 2016 arbeite ich im Museumsarchiv und habe dort mit den sogenannten „Mixkisten“ begonnen. Diese Kisten, in denen seit vielen Jahren die Zusendungen zu weltweiten queeren Themen – meistens Nachlässe – gesammelt werden, beinhalten viele Themen, die dann den unterschiedlichen Sammlungen zuzuordnen sind. Dadurch lernt man natürlich sehr gut die Organisation des Archivs im Keller kennen. Seit dem Frühjahr 2017 habe ich mir dann die Sammlung zur Homo-Ehe vorgenommen, die nun in die neue Datenbank aufgenommen werden kann. Hier sind seit Anfang 1972 Meldungen, Berichte, Dokumente zusammengetragen worden, die sich alle um das Thema „Ehe“ drehen. Viele Jahre war das in Deutschland mehr oder weniger das Thema der Lebenspartnerschaft, die nun rein mengenmäßig das Schwergewicht der Sammlung ist.

Und was machst du besonders gerne im Museum?

Wenn ich mir überlege, was ich besonders gern mache, dann ist es gerade diese systematische Arbeit um ein Thema herum. Das hat mich schon immer fasziniert. Ob es nun in früheren Jahren die Mikroverfilmung von Zeichnungen und ihre Einführung in eine Architekten- und Ingenieurfirma war oder ein zweitägiger Kongress zum Thema Wohnungsbau Anfang der neunziger Jahre mit allem drum und dran.

Warum ist das Museum für dich ein wichtiger und besonderer Ort?

Die Antwort ist relativ einfach: Es ist der Ort, an dem besondere Lebensweisen sichtbar gemacht werden. Und zwar in einem breiten Spektrum, wie es zu meiner Jugend nie möglich gewesen wäre. Das schließt heutzutage die gesellschaftliche wie die gesetzliche Akzeptanz mit ein. Da aber jede Art von Freiheit und Weltoffenheit gefährdet ist, muss man sich aktiv irgendwo einsetzen – für mich ist es das Museum.

Was war dein schönstes Erlebnis im SMU?

Im Grunde sind es zwei. Einmal die lange Nacht der Museen in einem Jahr, ich denke es war 2018/2019 als zufällig einer meiner ältesten Freunde aus dem Rheinland im August zu Besuch war und mich ins Schwule Museum begleitete. Einen solchen Auftrieb, zudem mit einer Fülle von unterhaltsamen Darbietungen, hatte ich bis dato noch nicht an diesem Ort, in diesem Haus erlebt.
Das zweite war zahlenmäßig ähnlich spektakulär. Die Eröffnung der Ausstellung zu Martin Dannecker, einer der frühen Helden in unserem Lande, der eine ähnliche Bedeutung für die queere Emanzipation in der Bundesrepublik hat wie Rosa von Praunheim. Da ich an Martin Danneckers Befragung zum „gewöhnlichen“ Homosexuellen 1972 teilgenommen hatte, war das natürlich ein absolutes Highlight für mich.

Gibt es eine SMU-Ausstellung (oder mehrere), die dir besonders in Erinnerung geblieben ist? Was hat dich daran beeindruckt? Oder auch eine Veranstaltung?

Eine wirklich gigantisch-originelle Ausstellung war „Homosexualitäten“. Nicht nur wegen der Zusammenarbeit mit dem Deutschen Historischen Museum und dem zweiten Präsentationsort im Landesmuseum in Münster, sondern auch wegen der Komplexität von Thema und vielgestaltiger Darstellung. Sicher ein absoluter Meilenstein. Wobei mir persönlich die Präsentation in Münster noch besser gefallen hat als in Berlin, da sie dort im räumlichen Zusammenhang gezeigt werden konnte.
Aber auch weniger spektakuläre Ausstellungen wie Superqueeros fand ich nicht nur originell sondern intelligent präsentiert und ausgeführt. Es war zudem ein Thema, dass mir in diesem Umfang überhaupt nicht bekannt war. Beim Schwulen Museum ist übrigens immer wieder zu bewundern, wie auf engstem Raum oder besser gesagt in beengten Räumen erstaunlich umfangreiche Ausstellungen entstehen. Bei der generellen Überintellektualisierung queerer Themen und den zahlreichen Genderphilosophien finde ich es ebenfalls gut, dass in den letzten Jahren die Kunst, der künstlerische Aspekt nicht zu kurz gekommen ist.

Und zum Schluss: Was würdest du gerne im Museum ändern oder verbessern?

Bei Veranstaltungen jeder Art, mit oder ohne Medien, merkt man schnell, wie begrenzt die Möglichkeiten im Museum sind. Ich wünschte mir eine Aula-ähnliche Räumlichkeit, ein Forum, in dem mehrere Menschen gleichzeitig zusammenkommen könnten und man problemlos Medien einspielen könnte, und außerdem Luft und Akustik gut sind. Bei der von mir gelobten Veranstaltung zu Martin Dannecker ist mir das besonders aufgefallen. Hier gab es Engpässe beispielsweise bei der Platzierung von Ehrengästen, die meiner Meinung nach auch sehr wichtig für ein Museum sind, das auf Spenden angewiesen ist.