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Ehrenamtliche*r des Monats: Sascha Stuhldreher

1. September 2021

Sascha Maik Stuhldreher ist eine kleine Rampensau. Von der Moderation beim Erfurter CSD über den Auftritt bei Sat 1-Frühstücksfernsehen bis hin zur Präventionsarbeit hat er schon überall mitgemischt. Auch im SMU hatte er seine Finger bereits im Museumsdienst, an der Kasse und im Café im Spiel – und das, obwohl er erst diesen Sommer zu uns kam. Der unsterblich verliebte Single hat uns von Berührungsängsten mit STIs, Präventionsgesprächen mit Heteros und Knuddeln unter Freund*innen erzählt. 

SMU: Lieber Sascha, magst du dich vielleicht kurz vorstellen? 

Sascha: Ich bin Sascha Maik Stuhldreher und bin durch die Frontdeskqueen Dirk zu euch gekommen. Da sich bei mir durch Corona alles job-mäßig gecancelt hat und mir zuhause die Decke auf den Kopf gefallen ist, hab ich mir gedacht: Ich bin ja schon Mitglied im Schwulen Museum. Ich könnte auch direkt ehrenamtlich hier arbeiten. 

Was machst du im Museum?

Ich hab mich ja hier auch vom Museumsdienst zum Café und ab und zu Kasse vorgearbeitet. Vielleicht komm ich irgendwann auch ins Archiv oder die Bibliothek. Es macht einfach Spaß. Nur im Museum zu sitzen ist zwar interessant. Man kann die Leute beobachten. Aber irgendwann findet man sich neue Aufgaben und es macht halt noch mehr Spaß.

Welchen Job hast du davor gemacht?

Ich hab für unterschiedliche Events und in der Gastro gearbeitet. Zuletzt hab ich eine Kampagne für mehr Respekt und Akzeptanz in der schwul-lesbischen Community gemacht mit dem Knuddel-Award. Bei Events war ich schon als Moderator oder hinter der Bühne tätig. Und das ist halt durch Corona alles weggefallen.

Und was ist der Knuddel-Award?

Das ist ein queerer Ehrenamtspreis für mehr Respekt und Vielfalt, der bundesweit in verschiedenen Kategorien verliehen wird. 2013 wurde er zum ersten Mal verliehen. Und er ging an Personen, Vereine, Organisationen und Kampagnen, die sich ehrenamtlich für mehr Respekt und Vielfalt eingesetzt haben. Bisher wurde er vier Mal verliehen. Jetzt hat mir Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht, weil ich wollte eigentlich einen Verein gründen, damit ich offiziell Sponsorengelder gewinnen kann. Damit ich den Organisationen, die eine Auszeichnung gewonnen haben, ein Preisgeld auszahlen kann. Ich finde es nämlich wichtig, diese Organisationen in ihrer Arbeit zu unterstützen. 

Woher kommt diese Begeisterung fürs ehrenamtliche Engagement?

Ach, ich bin schon seit meiner Jugend – ob politisch, ob in der Präventionsarbeit – die ganze Zeit ehrenamtlich unterwegs. Ohne das Ehrenamt geht vieles nicht. Viele Organisationen und Vereine haben nur Ehrenamtliche und ohne deren Arbeit funktioniert die ganze Gesellschaft nicht. So auch hier im SMU oder bei der „Ich weiß was ich tu“-Kampagne für Männer, die Sex mit Männern haben, von der Deutschen Aidshilfe. 

Wann hast du dort begonnen?

Ab 2014 hab ich dort Workshops gegeben und Präventionsarbeit auf Straßenfesten und CSDs gemacht. Es ist ein schwieriges Thema, aber wir sind schon weit gekommen. HIV ist nicht ansteckend, wenn du Safer Sex 3.0 praktizierst, das heißt ein Kondom verwendest beziehungsweise Schutz durch Therapie oder Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) hast. Aber wir haben damals überlegt, wie man die Selbsttests in die breite Gesellschaft rein bekommt – also für die 10 Euro, für die man sie jetzt bekommt. Durch Corona können mittlerweile alle mit Selbsttests umgehen und man bekommt die Schnelltests im Supermarkt. So bekommt nicht gleich jeder Panik, wenn man einen negativen Test hat oder einen positiven Test hat. Und kann dann einfach zum Arzt gehen und gucken, was los ist. 

Meinst du, dass der Umgang mit Corona uns was für den Umgang mit HIV und Aids bringen könnte?

Ja, wie viele heterosexuelle Leute haben sich nie in ihrem Leben nie auf STIs testen lassen?! Das ist meine Erfahrung aus der Präventionsarbeit. Es ist halt wichtig, dass man sich testen lässt. Es gab auch vor Jahren die Überlegung, wie man eine Hep-C-Untersuchung im Berghain durchführen kann – zum Beispiel mit einem Test-Bus. Aber leider wurde das nie umgesetzt. Sexuelle Gesundheit ist schon ein schwieriges Thema, weil viele haben Berührungsängste damit.

Weshalb gibt es diese Berührungsängste?

Weil sich viele nicht mit der sexuellen Vielfalt auskennen oder befassen. Gerade im Hetero-Bereich ist es ja so, dass sich die Leute über HIV oder STIs überhaupt keinen Kopf machen. Ich hab oft gefragt: „Habt ihr euch schon mal testen lassen?“ Und dann gucken sie dich mit großen Augen an und sagen: „Nööö!“ Aber so geben sie aber auch den Virus und die Krankheit halt weiter. Ein Virus ist übertragbar und das darf man nicht vergessen. Das gilt sowohl für HIV als auch für Covid-19.

Worauf freust du dich am meisten, wenn pandemiebedingt wieder mehr möglich ist?

Dass man ruhig mal wieder wen in den Arm nehmen kann. Ich hab immer gesagt: Knuddeln ist was anderes als Kuscheln. Jetzt merkt man vielleicht durch Corona, wie wichtig die freundschaftliche Umarmung ist und wie sehr sie einem fehlt. Knuddeln ist einfach was anderes, als du mit dem Partner auf dem Sofa oder im Bett machst. Da gibt’s einen riesengroßen Unterschied. Und Corona zeigt uns halt auch teilweise, wie die HIV-Krise in den 80er Jahren mal war und total in Vergessenheit geraten ist. Wir haben zwar keine HIV-Krise mehr in Deutschland, aber in anderen Ländern. Vor allem die Älteren wissen, wie es damals war, als HIV ausgebrochen ist. Covid-19 hat uns gezeigt, wie wichtig die Gesundheit für alle ist. Also lasst Euch impfen!

Foto: Viktor Hensel-Coe