„Wir nannten das auf keinen Fall Ehrenamt. Das war und ist auch immer noch politische unentgeltliche Arbeit“
Ulli wurde grade frisch in den Vorstand gewählt und das, obwohl sie doch eigentlich endlich mal ein Ehrenamt ganz ohne die große Verantwortung wollte. Auf ihre Expertise aus der Digitalisierung und der Frauenbewegung wollten wir dann aber doch nicht verzichten. Wie es sie zu uns verschlagen hat und wieso sie sich dann doch auf die Vorstandstätigkeit eingelassen hat, erfahrt ihr im Interview.
SMU: Stell dich doch mal kurz vor, was arbeitest du und was machst du in deiner freien Zeit?
Ulli: Ich fang mal beim Beruf an. Ich war die meiste Zeit meines Lebens EDVlerin, also damals gab es ja keine IT, sondern EDV, elektronische Datenverarbeitung. Das war auch tatsächlich mein Wunschberuf. Und es ist natürlich auch ein großes Glück, dass ich was gefunden habe, das mir wirklich richtig Spaß macht. Mit 39 habe ich dann mein Abitur nachgeholt, eigentlich um Psychologie zu studieren, das habe ich dann aber doch nicht gemacht. Stattdessen habe ich ein Soziologie- und Volkswirtschaftslehre-Studium angefangen, aber nicht zu Ende gemacht. Deshalb, weil ich gemerkt habe, dass ich überhaupt kein Forschungstyp bin. Ich bin eben Praktikerin. Ich habe die meiste Zeit als Programmiererin und Beraterin gearbeitet, immer in großen Teams, in großen Unternehmen, fast immer als Externe.
Und wie bist du zur ehrenamtlichen Arbeit gekommen?
Als Ende der 70er-Jahre die ersten Frauenhäuser entstanden sind, war ich wie elektrisiert. Wir haben da erstmals alles thematisiert: dass Frauen sehr häufig geschlagen werden und es entstanden sehr viele Vereine wie Frauen gegen Gewalt e. V., Notrufe und eben auch die Frauenhäuser. In Beratungsstellen kamen die Frauen zum Gespräch und gehen dann wie wir am Ende wieder nach Hause. Im Frauenhaus ist das natürlich anders: alle leben da miteinander und haben sich das auch nicht so ausgesucht.
Und da bist du dann als Ehrenamtliche eingestiegen?
Ja genau, aber wir nannten das auf keinen Fall Ehrenamt. Das war und ist auch immer noch politische unentgeltliche Arbeit. Eigentlich ist der Staat verantwortlich für dieses soziale und soziologische Desaster. Also immer, wo politische Arbeit geleistet wird, wo eigentlich der Staat zuständig ist, haben wir nur von unentgeltlicher Arbeit gesprochen. Und damit sind wir auch hausieren gegangen, weil das einfach ein wichtiges Thema ist. Und das Thema ist ja auch bis heute nicht annähernd gelöst. Irgendwann gab es dann von der Stadt die Möglichkeit für Festanstellungen, wodurch wir tatsächlich auch ein Feindbild verloren hatten. Das war eine schwierige Situation. Im Zuge dieser Professionalisierung gab es Probleme mit den unentgeltlich Arbeitenden, weil sie nicht mehr so informiert waren. Ich hätte mich zum Beispiel nicht auf so eine Stelle bewerben können, weil ich die passende Ausbildung dazu nicht hatte. Dadurch spalteten sich die Beratungsstellen und Frauenhäuser. Als Ich dann umgezogen bin, war für mich die Zeit gekommen einen Schlussstrich zu ziehen.
Und wie bist du zum Schwulen Museum gekommen?
Mein Coming-out hatte ich erst in meinen 40er-Jahren. Dadurch hatte ich dann aber auch wieder eine politische Heimat – nach einem kurzen Ausflug bei den Grünen – und habe mich direkt wieder organisiert. Ich habe die Lesben-Frühlings-Treffen mit organisiert und war Teil der Bewegung. Außerdem war ich einige Zeit im Vorstand des LesbenRing e.V. 2018 bin ich in den Verein des Schwulen Museums eingetreten, weil ich mich immer mehr dafür interessiert habe. Ich war dann ab und zu auf einer Vernissage, habe auch Birgit Bosold aus dem Vorstand parallel immer besser kennen gelernt und mich immer mehr mit dem Museum angefreundet.
Vor Corona habe ich auch beschlossen, die unentgeltliche Arbeit beim Museum zu machen und war auch aus allen Gremien wie Vorständen, Frauenrat, Bundesstiftung Magnus Hirschfeld raus. Zuerst wollte ich im SMU keine Verantwortung übernehmen. Ich wollte beim SMU Aufsicht machen und ein bisschen im Café arbeiten. Ich quatsche gerne mit Menschen und dachte, das ist doch ganz schön, ich mach‘ was Gutes, aber hab aber keine weitere Verantwortung. Aber jetzt ist es natürlich ganz anders gekommen…
Beim Schwulen Museum bist du ja jetzt ganz frisch in den Vorstand gewählt worden. Warum hast du dich dazu entschieden, dich doch zur Wahl stellen zu lassen?
Ich war bei meinen anderen Ehrenämtern auch schon immer in Vorständen. Und da habe ich eben auch immer viel Vorstandsarbeit wie Finanzverwaltung gemacht und da hatte ich dann auch irgendwann keine Lust mehr drauf. Und ich habe mich jetzt eben doch wieder dazu entschieden, in den Vorstand zu gehen, weil das wirklich das erst Mal ist, wo meine berufliche Fachkompetenz, wie die Digitalisierung von der Community gefragt wird.
Okay und zu guter Letzt: Wenn du was am Museum ändern könntest, was wäre das? Oder auch, was fehlt dir beim Museum?
Also was mir fehlt, kann ich noch gar nicht sagen. Es gibt ja immer etwas, was besser sein könnte. Der Konsens ist z. B. mehr Diversität wollen und daran arbeiten wir auch alle. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass sich hier etwas ändern wird. Und der Fokus gefällt mir auch, dass eben auf vieles geachtet wird, auch dass immer alle Gruppen vertreten sind. Also der Geist des Wandels weht durch das Haus.