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Objekt des Monats: Marlene Dietrich, Gaby Tupper und der Schlüsselkasten

1. Dezember 2021

Geschichte ist manchmal in den alltäglichen Dingen.

Der Schlüsselkasten, geschmückt mit Marlene Dietrichs Portrait und dem Zitat „Sag mir wo die Blumen sind“, war bis vor kurzem noch im Berliner Sonntags-Club im Einsatz. In einem Wohnzimmer gegründet, war der Sonntagsclub 1986 einer der ersten LGBTIQA*-Vereine in der DDR. Der Schlüsselkasten, vermutlich zur selben Zeit aus einem Plakat selbstgebastelt, hatte unscheinbar seinen Dienst versehen, bis er dem SMU im Rahmen der Ausstellung „Rosarot in Ost-Berlin“ im Austausch gegen ein neues Exemplar übergeben wurde. Und dort erregte er Gaby Tuppers Aufmerksamkeit.

Die Community-Queen, die dem SMU seit Jahren eng verbunden ist, hat sich zu einer Art Marlene-Dietrich-Botschafterin entwickelt. Sie gibt unter dem Titel „Ein Koffer, ein Leben, eine Diva“ regelmäßig Stadtrundgänge, die die wichtigsten Stationen der Dietrich abklappern. Mit dabei ist natürlich auch das passende Outfit.  Was motiviert Gaby Tupper, der Schauspielerin, Sängerin und Stilikone künstlerischen Tribut zu zollen? „Es gibt viele Menschen, denen sagt der Name Marlene etwas, aber die können mit der Person Marlene nichts anfangen“, erzählt die Drag Künstlerin. Gleichzeitig sei es nicht ihr Ziel, uneingeschränkte Lobhudelei zu betreiben. Die Komplexität der Marlene Dietrich, die oft glattgebügelt wird, will Gaby Tupper sichtbar machen. Denn zur Diva gehörten auch Allüren, das Leben im Rampenlicht endete schließlich in Armut und Einsamkeit.

Schon zu Lebzeiten aber war Marlene Dietrich eine Ikone für LGBTIQA*-Communities. Das ist einerseits ihrer Genderdarstellung geschuldet – so prägte sie die Marlene-Hose zu einer Zeit, als sich Schauspielerinnen selten in Hosen präsentierten. Andererseits ließ Marlene Dietrich bewusst Spekulationen zu, arbeitet öfter mit queeren Anspielungen. So geht es zum Beispiel im Lied „Wenn die beste Freundin“ mit Margo Lion und Oskar Karlweis um die Ménage-à-trois zwischen zwei besten Freundinnen und dem Ehemann der einen. In ihrem ersten Hollywood-Film, „Marokko“, küsst sie im Smoking gekleidet eine Frau. Die Ästhetik, die Marlene Dietrich verkörperte, und die queeren Subtexte in ihrer künstlerischen Arbeit machten sie zu einer wichtigen Identifikationsfigur für LGBTIQA*-Menschen seit den 1930er Jahren. Auch, wenn sie sich selbst nie gelabelt hat, ist Marlene Dietrich in die lesbische und bisexuelle Geschichte eingegangen.

Das zeigt sich auch am Schlüsselkasten aus dem Sonntags-Club. Er erinnert nicht nur an eine wichtige LGBTIQA*-Ikone, sondern ist auch ein wichtiges Zeugnis für die Dietrich-Verehrung in der DDR. „Mal nicht etwas aus einer Westberliner Marlene-Sammlung“, erklärt Gaby Tupper ihre Faszination für das Objekt. All diese Geschichten, von Marlene der Person, Marlene der Künstlerin und Marlene dem queeren Vorbild vereinen sich in diesem Schlüsselkasten.

Am 27. Dezember feiert Marlene Dietrich ihren 120. Geburtstag.

Marlene-Dietrich-Schlüsselkasten aus dem Sonntags-Club. Foto: Orlando Brix/SMU.