Wir freuen uns, mit einem großdimensionierten installativen Mixed-Media-Objekt des chinesisch-US-amerikanischen Künstlers Dewey (Dui) Seid ein frühes Beispiel der künstlerischen Auseinandersetzung mit HIV und Aids in unsere Kunstsammlung aufnehmen zu können. „Assist“ (1989) besteht aus in Fiberglas eingeschweißten medizinischen Gebrauchsutensilien, Buchstaben aus Kunststoff und einem gerahmten Memento. Auf einer Fläche von 3 x 3,6 m ergibt die Installation ein Akrostichon, in dem die Buchstaben aus Fiberglas vertikal das Wort „Aids“ und horizontal Anfänge verschiedener Wörter bilden, die zur Entstehungszeit mit HIV und Aids assoziiert wurden. „Assist“ ist Teil einer Serie, die Seid „AIDS Words“ genannt und im Zeitraum von 1989 bis 1996 hergestellt hat; die gebildeten Begriffe variieren, hier sind es: „Assist“/ „Initiate“/ „Donate“ und „Support“. Die eingeschweißten medizinischen Utensilien zeigen Gebrauchsspuren – der optische Eindruck von Blut wurde allerdings durch Acrylfarbe erzeugt.
Dewey Seid über seine Serie „AIDS Words“: „Als ich während der Aids-Krise in den 1980er Jahren Menschen zu Hause pflegte, wurde mir klar, dass alle Menschen Angst verspürten, ob sie nun infiziert waren oder nicht. Um diese Angst widerzuspiegeln, fertigte ich die Buchstaben A, I, D, S an, die medizinisches Material enthielten, das mir von Aids-Patienten und Ärzten gegeben wurde. Diese medizinischen Hilfsmittel sind mit Glasfaser ummantelt und mit schwarzen Kunststoffbuchstaben versehen, die einen bestimmten Standpunkt zum Thema AIDS zum Ausdruck bringen. ‚AIDS Words‘ war eine Serie, die die verschiedenen Standpunkte der Menschen zum Thema AIDS darstellen sollte, von der religiösen Rechten, die Aids als Strafe Gottes für das Schwulsein ansah, bis hin zu den Standpunkten von Menschen mit AIDS, von Personen, die helfen usw. Die AIDS-Wortreihe wurde an vielen Orten gezeigt und löste die Befürchtung aus, dass man sich beim Umgang mit der Kunst während der Installation mit Aids anstecken könnte. Einige trugen Schutzkleidung. In Deutschland musste das Gesundheitsministerium überprüfen, dass die Buchstaben nicht ansteckend waren, dass der Anschein von Blut Farbe war. Die Words-Serie war die umstrittenste meiner Arbeiten. Dieses Werk ist eines von mehreren, die Worte sind ein Aufruf zum Handeln, um den von der Krankheit betroffenen Menschen zu helfen. Damals war AIDS ein Todesurteil.“
Dewey (vormals „Dui“) Seid wurde am 20.3.1945 in Greenville, Mississippi, USA, geboren. Er war Absolvent der Cooper Union in New York City, kehrte nach einem mehrjährigen Paris-Aufenthalt 1980 nach New York zurück und engagierte sich nach dem Aids-bedingten Tod eines Freundes 1984 künstlerisch, aber auch als Krankenpfleger, gegen die Vernachlässigung infizierter Menschen. Seids erste Einzelausstellung fand 1986 in der SOHO Gallery, New York City, statt. Danach nahm er an mehreren Ausstellungen in den USA, in Kanada, Japan und Europa teil, u.a. im Folkwang Museum Essen, dem Whitney Museum of Art in Champion (USA), im Sagacho Exhibit Space in Tokio und im Musee d’Art Contemporain in Montreal (Kanada).
„Assist“ wurde dem Schwulen Museum vom Künstler überlassen. Wir bedanken uns für die Vermittlung bei dem Kunsthistoriker und Kurator Prof. Dr. Michael Fehr, der 1997 das Kunstwerk zusammen mit weiteren aus der Serie „AIDS Words“ im Karl Ernst Osthaus-Museum Hagen ausgestellt hatte.
Foto: Dewey (Dui) Seid, „Assist“ (Detail). Gebrauchte Sanitätsartikel, Fiberglas, gerahmter Text, Acrylfarbe, Plastik, ca. 300 x 366 cm. Schenkung des Künstlers, Archiv des Schwulen Museums.