„Trussed“ – der Titel liest sich wie die englische Übersetzung von gefesselt und hört sich an wie trust, Vertrauen. Dieses Wortspiel wählte Filmemacher Isaac Julien mit Bedacht. Seine großformatige Videoinstallation von 1996 behandelt die Themen Erotik, Krankheit und AIDS/HIV mit Bildern von Intimität, Sexualität und BDSM.
Auf zwei Bildschirmen spiegelt sich der Film. Die Installation kommt ohne Dialog aus, die Bilder werden von sphärischen Klängen untermalt. Julien sorgt so für eine durch und durch ästhetische Erfahrung, die verschiedene Sinne anspricht. Der Tänzer wirkt durch seine Kleidung aus durchsichtigem Plastik fast übersinnlich. Als er stirbt, wird er von seinem Geliebten getragen – so kreiert Julien eine pietà in Lederästhetik.
Seit den späten 1980er-Jahren verhandelt Isaac Julien in seinen Werken Schwarze und schwule Identitäten – stets aus einer multidisziplinären Perspektive. In seinen Arbeitsprozessen lässt er Raum für Improvisation, arbeitet oft in Schwarz-Weiß und mit analogen Filmtechniken. Unkonventionell ist auch sein Blick auf Queerness, der oft auf Schwarze, gender-nonkonforme oder kranke Menschen gerichtet ist. Isaac Julien hält sich fern von singulären, oberflächlichen Darstellungen, wie sie in den Mainstreammedien zu finden sind. Mit seiner „Ästhetik der Reparation“ will er Schwarze Menschen dem Dominanzregime entziehen, dem sie üblicherweise als mediale Subjekte ausgeliefert sind. Diese Ästhetik schafft er vor allem, indem er queere, Schwarze Lebensrealitäten in ihrer Pluralität zeigt und vermeintliche Widersprüche vereint, wie auch in „Trussed“.
Der Regisseur bricht in der Installation mit Vorurteilen über schwulen Sex und AIDS/HIV. Julien schafft es, die Zärtlichkeit und Intimität von BDSM zu zeigen, ohne ein weichgespültes Bild von schwuler Erotik zu vermitteln. „Trussed“ ist 1996 eines seiner ersten Werke, das für den Museumsraum geschaffen wurde. Seit 2000 produziert er neben Dokumentarfilmen und Doku-Dramen auch regelmäßig Installationen. „Innovation im Bewegtbild passiert in Museen und Galerien, nicht im Kino”, erklärt er 2019 im Evening Standard.
Diese beiden Fotografien, Standbilder der 21-minütigen Installation, wurden dem SMU vor kurzem übergeben. Damit besitzt das Haus nicht nur Momentaufnahmen eines bedeutenden Künstlers, sondern auch ein weiteres Zeitzeugnis zu AIDS/HIV und seinen Auswirkungen auf Communities und Künstler*innen. Weitere Bestände dazu gibt es ab 20. August in der neuen Ausstellung „ArcHIV – eine Spurensuche“ zu sehen!
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