Auf einer kleinen, mysteriösen Flasche prangt ein zauberhaftes Label: „Dream Water“ verspricht als ein rezeptfreies Konzentrat aus Gamma-Aminobuttersäure, Melatonin und 5-Hydroxytryptophan erholsame Reisen ins Traumland. In den USA von Stars wie Paris Hilton und Katy Perry beworben, hat unser Elixier bereits einen märchenhaften Weg hinter sich, von dem ein*e Sexarbeiter*in berichtet:
„Ich hatte diesen besonderen Kunden. Wir sind uns sehr nah gekommen und er hat mich immer seinen Engel genannt. Er war Regisseur und er wollte immer seine Träume auf die große Bühne bringen. Einmal, während ich an meiner Bachelorarbeit saß, redeten wir über meine Schlafprobleme und dann gab er mir eine kleine Flasche, auf der „Traumwasser“ stand. Um besser einschlafen zu können. Ich habe sie nie geöffnet. Ich habe die Flasche immer noch, weil er kurz darauf verstorben ist. Ich war der Letzte, mit dem er vor seinem Tod Sex hatte. Bei unserem letzten Treffen bekam er eine Hustenattacke und fühlte sich nicht gut. Am nächsten Tag hat er dann bei einer Probe einen Herzanfall bekommen und starb. Das hat mich sehr mitgenommen, weil wir so eine intensive Verbindung zueinander hatten. Zweimal habe ich sein Grab besucht, und es kam immer mal wieder hoch. Naja, dieses „Traumwasser“ erinnert mich jetzt immer an ihn…“
Gegenseitiges Begleiten, Verletzlich-Sein, Überleben und nicht zuletzt der Tod zeigen Fürsorge und Zwischenmenschliches in der Sexarbeit. Dem gegenüber stehen staatliche und politische Stigmatisierung, Überregulierung und Entmenschlichung, gegen die Sexarbeiter*innen jeden Tag ankämpfen. Seit der Corona-Pandemie werden Sexarbeiter*innen zudem noch als „Super Spreader“ und als „Gefahr für die öffentliche Gesundheit“ angesehen, während ihnen gleichzeitig die Möglichkeit der Teilnahme an den meisten staatlichen Hilfsprogrammen verwehrt wird.
Ein Grund mehr, uns solidarisch mit allen Sexarbeiter*innen zu zeigen und die Sex Worker Action Week 2020 in ihrer Forderung nach gleichen Rechten für Sexarbeiter*innen und gesellschaftlicher Teilhabe zu unterstützen – Sex Work is Work! Rights, not Rescue!
Herzlichen Dank an SWAG, die Sex Worker Action Group für diese wunderschöne Traumwasser, das ihr den ganzen September als unser Objekt des Monats im Museumscafé anschauen könnt. Mehr unvergessliche Objekte von Sexarbeiter*innen findet ihr in der urbanen Mini-Ausstellung Objects of Desire (die Maxi-Version lief im vergangenen Jahr im SMU) im Rahmen der Sex Worker Action Weekend 2020:
Website: https://swactionweek.wixsite.com/website
Instagram: @swactionweek
Facebook page: SW Action Week
Foto: Mark