Rüdiger Trautsch (geboren 1946 in Hamburg) ist den meisten vermutlich bekannt als Fotograf, der wichtige Stationen schwul-lesbischer Geschichte dokumentiert hat, zum Beispiel die HAW-Protestaktion in West-Berlin 1973. (Ja, das ist das berühmte Bild aus unserem Archiv und aus der Ausstellung Tapetenwechsel.) Seine Klappenfotos aus Hamburg in den frühen 1980er Jahren (Aus Liebe hat es keiner getan) waren erst kürzlich Teil der Ausstellung Fenster zum Klo von Kurator/Künstler Marc Martin.
Was viele nicht wissen, ist dass Rüdiger noch mindestens zwei weitere professionelle Seiten hat: er zeichnet, und er hat eine umfangreiche Serie von Frauenporträts gemacht im Laufe der Jahrzehnte. Darunter finden sich auch berühmte Bilder von Marianne Sägebrecht aus dem Jahr 1988, die in Tempo und verschiedenen italienischen Hochglanzmagazinen veröffentlicht wurden. Er hat auch die surrealistische Künstlerin Meret Oppenheim porträtiert, die bekannt wurde mit ihrem Frühstück in Pelz von 1936, das sich heute in der Sammlung des MoMa in New York befindet.
Als Rüdiger im September bei uns war, um seinen Vorlass zu sortieren und zu katalogisieren, rief er angesichts all dieser Porträts aus: „Wir ihr seht, Rüdiger kann auch Frauen!“ Zu diesen Frauenbildern gehören auch Zeichnungen. Rüdiger begann 1965 zu zeichnen. Bis heute verbringt er jede Woche drei Stunden mit Zeichnen, um nicht aus der Übung zu kommen und weil es ihm Freude bereitet.
Als Objekt des Monats stellen wir dieses Bild einer anonymen Frau vor, die Rüdiger in seiner Dienstagabendzeichengruppe 2002 Modell saß. Die schnellen Linien sind typisch für den Künstler, der für solch ein Porträt nur 15 bis 30 Minuten Zeit hat.
Text von José Gabriel Navarro.