“Schafft ein, zwei, drei, ganz viele Stonewalls” – so lautete der Aufruf zum ersten Christopher Street Day (kurz: CSD) in Berlin am 30. Juni 1979. Zehn Jahre nach den legendären Stonewall Riots brachte Andreas Pareik die Idee eines CSDs in Deutschland von New York mit nach Berlin. Die Westberliner Organisator*innen rund um Bernd Gaiser trafen sich im SchwuZ. Dort vernetzten sie sich, gestalteten das Poster und verfassten den Demoaufruf sowie die Anmeldung der Demonstration.
Der erste Berliner CSD war ein bunter, karnevalartiger Zug und führte vom Savignyplatz Richtung Halensee. Vielmehr war er jedoch ein Aufruf zur Selbstermächtigung in Zeiten des Paragrafen 175, der Geschlechtsverkehr zwischen Männern in der BRD noch immer unter Strafe stellte. Statt eines Rückzugs von einer Gesellschaft, die homosexuellen Jugendlichen das Coming-Out erschwert und Stigmatisierung reproduziert, schufen die Teilnehmenden ein unübersehbares Zeichen der Sichtbarkeit. Wie sie im Demoaufruf formulierten, gingen sie “auf die Straße als das, was wir sind und was wir gerne sein möchten”. Damit formulierten die Veranstalter*innen eine Grundhaltung, die den CSD heute immer noch prägt. Die Initiator*innen richteten ihren Aufruf nicht nur an Schwule und Lesben sondern an alle, die für ihre sexuellen und geschlechtlichen Praktiken, Lebensweisen und politischen Standpunkte gesellschaftliche Ausgrenzung erfahren. Gleichzeitig bemerkten sie am Ende des flugblattartig gestalteten Plakats die mangelnde Vernetzung innerhalb der queeren Communities: “Wir hoffen auch, dass sehr viele Lesben da sein werden, auch wenn unsere Leben sich dort nicht so oft berühren und Ihr deshalb Euren eigenen Aufruf schreiben müßt.”
Dass der CSD eine solche Institution werden würde, dessen Motive und Inhalte sich mittlerweile nicht mehr auf eine Demonstration beschränken lassen, konnte 1979 niemand ahnen. Mitbegründer Bernd Gaiser schrieb am 28.7.2018 im Tagesspiegel: “Wir waren ziemlich nervös vor dem ersten Christopher Street Day in Berlin. Nicht, weil wir uns Sorgen machten, die Polizei könnte uns drangsalieren. […] Wir waren nervös, weil wir nicht wussten, ob überhaupt jemand kommt.” Im Anschreiben zur Anmeldung der Demonstration wurden der Berliner Polizei die geplante Laufroute, organisatorische Eckdaten sowie die großzügig geschätzte Teilnehmendenzahl von 500 Personen mitgeteilt. Im Endeffekt waren es dann rund 450 Teilnehmer*innen, die den Weg für mehrere Generationen queerer Menschen und aktuell knapp einer Millionen CSD-Besucher*innen in Berlin bereiteten.
Auch, wenn sich Veranstalter*innen, Routen und Inhalte des CSD im Lauf der Jahre verändert haben: Das Motiv bleibt gleich. Wir wünschen allen unseren Besucher*innen einen bunten, widerständischen, fröhlichen CSD-Monat!