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Objekt des Monats: Tabea Blumenschein und „Die Tödliche Doris“

1. Januar 2022

Tabea Blumenschein war dabei. Egal ob Party, Vernissage, Happening oder Konzert. In der Westberliner Szene war sie bekannt wie ein bunter Hund – und mischte kräftig mit. Sie war nicht nur Schauspielerin, Model und Sängerin, sondern entwarf Kostüme, führte Regie, fotografierte und malte. 1985 outete sich Blumenschein auf dem Cover des Stern als lesbisch. Der Künstler Wolfgang Müller holte sie schließlich in sein Kollektiv „Die Tödliche Doris“, dem sie bis zur Auflösung 1987 angehörte – „ganz selbstbestimmt, nur wenn sie Zeit und Lust hatte“, erinnerte sich Müller in einem Nachruf an seine 2020 verstorbene Weggefährtin.

Nach der Wende verschwand Tabea Blumenschein aus dem Rampenlicht, zog nach Adlershof, später Marzahn. Sie hatte feststellen müssen, dass sich Berlin, so auch die Clubkultur und die lesbische Szene, veränderte. Anstatt den wilden 80ern hinterherzutrauern, suchte sich Blumenschein eine neue Aufgabe und arbeitete von nun an in der Amerika-Gedenkbibliothek. Die Kunst gab sie trotzdem nicht auf – ihr lag bloß nichts daran, sich zu einer Marke machen zu lassen. Blumenschein hatte weder eine Emailadresse noch einen Facebookaccount.

Anstatt auszugehen, malte Blumenschein in ihren letzten Jahren vorwiegend abends. In der Ausstellung „100 Objekte“ war 2019 auch eines ihrer Gemälde im SMU ausgestellt: Die „Bartfrau“ (1992), umrankt von Schlangen als Symbol der Stärke und Erneuerung, ein nahezu ikonographisch anmutendes Bild. Weiblichkeiten, Queerness, feministische Botschaften prägten Blumenscheins Schaffen über die Jahrzehnte. Für das letzte Album von „Die Tödliche Doris“, „Reenactment (I)“, gestaltete Blumenschein 2019 die Illustrationen. Die Tonspur besteht aus den Aufnahmen von 31 Vibratoren und Dildos, die Blumenschein zeichnete (rechts im Bild).

Tabea Blumenschein hatte durchaus etwas übrig für die kleinen Dinge. So waren auch Postkarten ein Ausdrucksmedium der Punk-Ikone. An Wolfgang Müller, ihren Kollegen von „Die Tödliche Doris“, mit dem sie auch nach Auflösung der Band regelmäßig zusammenarbeitete, sandte Tabea Blumenschein zwischen 1980 und 2020 solche kleinen Kunstwerke (mittig und links im Bild). Darauf war sie meistens selbst abgebildet. Einige Postkarten erinnern an spontane Selfies – mal in der Fußgängerzone, mal in der eigenen Wohnung – , andere sind wie Collagen gestaltet und coloriert.

Im November 2021 widmeten Wolfgang Müller und Hermoine Zittlau, ebenfalls ein Mitglied von „Die Tödliche Doris“, Tabea Blumenschein eine Performance auf der Konferenz Fringe of the Fringe in Düsseldorf. Dort wurden Punk, Postpunk, New Wave und Industrial aus u.a. queerfeministischer Perspektive beleuchtet – und da darf Tabea Blumenschein nicht fehlen! Müller und Zittlau verteilten Postkarten. Und ließen damit Tabea Blumenscheins Tradition weiterleben.

Postkarten von der Performance „Zwischen Hünen, Hünin und Hühnchen“, Wolfgang Müller und Hermoine Zittlau bei Fringe of the Fringe – Die Privilegien der Subkultur im Gedächtnis von Institutionen – Düsseldorf, November 2021. Foto: Orlando Brix/SMU.