Know your queer history! Hannah ist ehrenamtliche Helferin im Schwulen Museum geworden, um die die queere Community zu erkunden. Dabei stieß sie auf ein besonderes Fundstück: das Album der Flying Lesbians. Als Schätzchen des Monats im Queer History Month begibt sich Hannah mit uns auf eine Suche nach kulturellem Erbe und erzählt dabei von Generationsaustausch, Barriereabbau und langen Nächten im Museum…
Hi Hannah! Wie immer fange ich mit ganz einfachen Fragen an: Wer bist du, was machst du, was beschäftigt dich?
Hey, ich bin Hannah, 22 Jahre, und wenn ich nicht gerade im SMU bin, studiere ich Kommunikationsdesign an der HTW Berlin. Im Studium habe ich meinen Schwerpunkt auf Barrierefreiheit gelegt, aber für einen konkreten Anwendungsbereich habe ich mich noch nicht entschieden.
Welche gibt es da?
Ganz viele! Ich finde besonders Barrierefreiheit im öffentlichen Raum spannend, beispielsweise Wegeleitung, die Gestaltung alltäglicher Vorgänge und natürlich im musealen Kontext: Ausstellungsdesign.
Cool! Hast du dann das Projekt „Accessibility“ im Schwulen Museum in den letzten Jahren mitverfolgt?
Ich habe am SMU angefangen, als gerade die Queering the Crip – Cripping the Queer Ausstellung lief. Da habe ich noch gesehen, wie Menschen das taktile Leitsystem getestet haben, das fand ich dann schon spannend. Ich quatsche auch hin und wieder mal mit Collin, der Ausstellungsleitung hier im Haus, über Updates.
Heißt das, die QTCCTQ-Ausstellung hat dich zu uns ans Museum gebracht?
Nur so halb, ich war vor 5 Jahren zum ersten Mal hier, als kleine Reise nach meinem Abi. Ich habe mir From Riot to Respectability und Karol Radziszewski: Queer Archives Institute angeschaut. Danach stand der Beschluss relativ schnell, aus meiner kleinen Heimatstadt in Bayern nach Berlin zu ziehen – und zu meinem Studium habe ich das dann auch gemacht. Das zweite Mal war ich eben vor 2 Jahren in der Queering the Crip-Ausstellung; dass sich das thematisch so gut gedeckt hat, war eher Zufall. Später wurde mir klar, dass ich ein Ehrenamt im queeren Bereich machen möchte, und bei meiner Online-Recherche war das SMU wieder nur wenige Klicks entfernt.
Wie schön, dass du am Schwulen Museum Anschluss gefunden hast.
Ja auf jeden Fall, ich finde das Schwule Museum ist ein toller Startpunkt, um sich innerhalb der queeren Community in Berlin zu vernetzen.
Was machst du in deinem Ehrenamt am SMU?
Alles, was im Museum passiert, von Aufsicht über Kassen- und Bardienste. Auch wenn ich die wechselnden Aufgaben mag, bin ich am liebsten im Café. Ich finde es schön, Menschen Freuden bereiten zu können. Stell dir vor, du willst nichts anderes als einen heißen Kakao, und dann gebe ich dir einen heißen Kakao.
Und einen Keks dazu!
Genau, es sind wirklich die kleinen Sachen. Im Café kann ich viel mit Leuten quatschen, sehe immer, was vorne los ist, wer ein und aus geht…
Das heißt, du bist immer in Quatsch-Laune, wenn du hier arbeitest?
Tatsächlich lasse ich meine schlechte Laune meistens hinter mir, wenn ich durch die Museumstür laufe. Das klappt einfach, weil ich hier ehrenamtlich bin, ich muss hier nicht sein!
Erzähl uns von einer schönen Erinnerung am SMU!
Die Lange Nacht der Museen letztes Jahr war extrem beeindruckend. Ich wusste, dass großes Interesse am Museum besteht und Menschen hier viel organisieren, aber in dieser Nacht war das Museum bunt gefüllt und das Programm stark aufgestellt.
Die Lange Nacht der Museen ist ja bald wieder da, am 24. August – wirst du sie erneut besuchen?
Leider nein, ich werde mit einer Freundin in Japan sein. Wir sind vier Wochen in Tokio und machen danach noch zwei Wochen Reisen durch kleinere Städte. Ich bin dann nächstes Jahr wieder dabei!
Das ist ein guter Grund, nicht da zu sein. Du musst mir unbedingt danach zeigen, was du gethriftet hast! Jetzt aber, welches Schätzchen hast du uns heute mitgebracht?
Das Album von den Flying Lesbians! Die waren eine deutsche Band aus den 70er Jahren, die aus einem Frauenfest heraus entstanden sind. Als eine andere Band kurzfristig abgesagt hat, haben die sich mal eben formiert und sind zum Ersatz geworden. Obwohl sie so krasse Resonanz bekommen haben und gute vier Jahre aktiv waren, gibt es nur dieses eine Album von ihnen.
Wie bist du zu deinem Schätzchen gekommen?
Eine Sache, die ich am SMU so interessant finde, ist der Generationsaustausch. Ich finde es super, dass Menschen aus verschiedenen Altersstufen miteinander in Kontakt kommen. Als ich diese CD zufällig im Schrank des Museumsshop gefunden habe, war ich total aufgeregt. Eine Kollegin und ich wollten sie direkt in den CD-Player einlegen, weil ich davor noch nie was von einer lesbischen Frauenrockgruppe gehört hatte. Zwei ältere Kolleginnen, die während den 70ern aktiv in der Szene waren, haben das mitbekommen und meinten zu uns: „Hört das mal, wenn wir nicht da sind…“ Die haben mit der Musik so viele Erinnerungen verbunden, die in dem Moment wahrscheinlich nicht hochkommen sollten. Ich fand es spannend, wie unterschiedlich der Bezug zu diesem Audio war.
Was magst du an deinem Schätzchen? Kannst du es in drei Worten beschreiben?
Lesbisch, ikonisch und laut! Ich liebe, dass das Album explizit lesbisch ist! Hier am SMU waren die Dinge, und sind es manchmal heute auch immer noch, schwul. Außerdem mag ich, dass es so ein altes Objekt ist – 50 Jahre! Das ist ein tolles Zeitzeugnis.
Gibt es etwas, was du an deinem Schätzchen ändern würdest, wenn du könntest?
Ich wünschte, es gäbe das auf Spotify! Das Album gibt es auf YouTube, aber nicht auf Spotify. Das ganze Projekt war Indie-Selfmade.
Wem würdest du es schenken, wenn du könntest?
Zum einen der Online-Community, mit einem Upload eben (lacht) Aber dann auch meiner Mama, die ist sehr feministisch – queere Bewegung würde ich ihr gern noch näherbringen. Sie fände das sicherlich interessant!
Wir würden uns mit Sicherheit über eine MP3 freuen!
(Interview & Bild: mino Künze)