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Schätzchen des Monats: Julia Heuser und die Lithografien „Vespertilia“ der Leonor Fini

1. Mai 2023

Unsere Kollegin Julia Heuser verreist für ihr Leben gern, trägt ausgefeilte Nagel-Designs – Wortspiel beabsichtigt – und wirbelt nicht zum ersten Mal durch das Schwule Museum. In diesem Interview erzählt sie von ihren letzten Jahren in- und außerhalb des SMUs, und zeigt uns damit gleichzeitig, warum sie sich ihrem Schätzchen aus dem Jahr 1972 so Nahe fühlt.

Julia, stell dich doch kurz vor: woher kommst du, was machst du, was beschäftigt dich?

Ich bin Julia Heuser, ich komme ursprünglich aus einem kleinen, nicht wirklich schönen Kaff in der Nähe von Karlsruhe. Jetzt studiere ich Ethnologie in Göttingen – mache hier gerade meinen Bachelor fertig – und bin Teil des Presseteams im Museum.

In welchem Museum arbeitest du denn?

*beide lachen*

Gute Frage, Mino! Ich arbeite im Schwulen Museum in Berlin.

Achso, daher kenne ich dich! *lacht* Was sind hier deine Aufgaben?

Während meines Praktikums im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit habe ich viel an den Inhalten für die Social Media Kanäle des Museums gearbeitet. Dann bin ich kurz ins Ausland verschwunden, um dort zu studieren. Ein Jahr später bin ich wieder zurück, und unterstütze das SMU mit seinem Online-Auftritt.

Du warst doch in Vietnam, oder?

Genau, ich war in Vietnam an der Hanoi National University und habe auch eine kleine TikTok Karriere hingelegt. Aber ich dachte, bevor mir der Ruhm noch zu Kopf steigt, muss ich wieder zurück an den Anfang, zurück nach Berlin.

Wir sind froh drum! Was machst du hier am liebsten, jetzt wo du wieder zurück bist?

Hmm, ich glaube am liebsten beschäftige ich mich mit der Recherche für Posts die sich mit queerer Geschichte und Kunst auseinandersetzen. Ich merke gerade auch, dass das total zu meinem Studium passt. Mir macht es Spaß, Informationen zusammenzutragen und so darzustellen, dass sich das Menschen außerhalb des SMUs gerne anschauen und durchlesen. Es bereitet mir Freude zu merken, dass ich einen verständlichen Text zusammen bekommen habe. So gelingt Wissensvermittlung!

Sehen wir dich deshalb so viel zwischen Archiv und Büro hin und her rennen?

Ja, so könnte man das sagen. Ich gucke einfach, dass die Sachen aus dem Archiv ein Publikum bekommen. Dafür entstaube ich auch mal etwas und trage es – wortwörtlich – an die Oberfläche.

Wie interessant! Gibt es Herausforderungen, mit denen du dich durch diese Arbeit konfrontiert gesehen hast?

Es gibt ja schon recht viele Arbeitsbereiche hier im Museum. Ich denke manchmal unterschätzt man, mit wie vielen unterschiedlichen Leuten man dann doch tatsächlich zusammenarbeitet. Und das zu koordinieren, alle Deadlines einzuhalten, Missverständnisse zu vermeiden… Mir ist es auch wichtig, geordnet zu arbeiten. Und die eigene Ordnung beizubehalten, während man sich auf die Ordnungssysteme anderer verlässt, wird schon mal stressig. Das dürfte die größte Herausforderung sein!

Pressearbeit in a nutshell, würde ich dazu sagen. Wollen wir mit deinem Schätzchen weitermachen?

Ja, gerne! Mein Schätzchen ist von Leonor Fini. Eigentlich müsste ich von mehreren Schätzchen reden, ich liebe nämlich alle ihre Darstellungen von Frauenkörpern. Das Museum hat davon ein paar Postkarten, aber besser finde ich noch die Lithografien. Das sind super schöne, künstlerische, surrealistische Darstellungen von Frauen.

Wie bist du zu deinem Schätzchen gekommen?

Ich war mit Jona, unserer Bundesfreiwilligendienstlerin, im Gespräch über die Postkarten im Museumsshop. Jona beschäftigt sich gerade damit, wie das Sortiment neu aufgestellt werden kann, um mehr Diversität reinzubringen. Uns ist aufgefallen, dass es da eine ungleichgewichtige Verteilung männlicher und weiblicher Künstler*innen, Darstellungen von Körpern und Ästhetiken gibt. Darüber bin ich dann auf die Suche nach mehr Darstellungen von Frauenkörpern gekommen. Ich war auch daran interessiert, Werke zu finden, die nicht nur Frauen zeigen, sondern auch von Frauen gemacht sind und ihre Perspektive abbilden. Hier bin ich schnell auf die Arbeiten von Leonor Fini gestoßen.

Was verbindet dich, über das Geschlecht hinaus, noch mit der Künstlerin?

Fini hat vor allem im Paris der 1930er und 40er Jahre gemalt, als sie halt voll Zugang zu den Szenen des Surrealismus und Dadaismus hatte. Und trotzdem war sie so eine, wie sage ich das jetzt… so ein bisschen eine „crazy cat lady“, und damit fühle ich mich sehr verbunden. Sie hat die meisten Jahre ihres Lebens ohne eine romantische Beziehung verbracht, sich mit ihren 17 Katzen umgeben und tolle Kunst gemacht. Bei ihren Darstellungen finde ich dieses Surrealistische extrem ansprechend, weil das ihr erlaubte, gerade bei der Repräsentation von Frauenkörper, mit dem Element der Unvollkommenheit zu spielen. Für mich drückt das aus: reale Körper entsprechen nicht patriarchalen Schönheitsstandards. Und trotzdem sind das tolle Iterationen weiblicher Schönheit, die man sich gerne in ihren Malereien anguckt; so abgefahren sind die. Genauso war Leonor ja selbst auch, vom Lebensstil bis hin zur Fashion.

Ich liebe deine Begeisterung für dein Schätzchen!

Ja, total! Finis Geschichte holt mich einfach ab, sie ist als Kind viel umgezogen und hat dadurch so eine anti-autoritäre Haltung gewonnen. Sie wurde sogar mal der Schule verwiesen und als unbelehrbar eingestuft. Später in Paris hat sie dann die Mitgliedschaft in Gruppen anderer großer, surrealistischer Künstler*innen verweigert, um auch dort nicht an irgendwelche Regeln gebunden zu sein. Ich bewundere diese Art, sich in der Welt zu bewegen. Ich sehe da einen ständigen Widerstand gegen patriarchale und heteronormative Ideen. Sie ist dem treu geblieben, was sie für richtig empfunden hat. Da war nichts zu bunt, drüber, surreal…

Wie würdest du dein Schätzchen in drei Wörtern beschreiben?

Ästhetisch, anti-autoritär und DRÜBER *lacht*

Sehr schön! So denkst du also, können die Leerstellen unten im Museumsshop angegangen werden?

Auf jeden Fall! Unser Museum heißt vielleicht Schwules Museum, aber wir haben uns ja schon länger der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt verschrieben. Mit Ausstellungen wie Homosexualität_en und Lesbisch Sehen in der Vergangenheit, und aktuelleren Schaus wie Queering the Crip, Cripping the Queer, wurden auch immer wieder Sichtbarkeiten für diverse Gruppen geschaffen. Das jetzt noch ein etwas mehr im Shop widergespiegelt zu sehen, wäre super.

 

Foto: mino Künze