Guten Morgen, Manuel! Du wirkst so, als hättest du dich über die Einladung zu diesem Gespräch wirklich gefreut!
Ja, ich habe mich sehr gefreut. Ich habe noch nie ein Interview gegeben!
Manuels erstes Interview, wie schön! Na dann, stell dich doch bitte vor…
Ich bin Manuel Schinzel, 35 Jahre alt und als Resilienz-Dispatcher in der IT tätig. Wenn ich nicht im SMU bin, höre ich viel Reggae, Dancehall und Electro. Und da ich nicht von hier bin, entdecke ich Berlin immer wieder aufs Neue, auch wenn ich mich nicht so gerne im Nachtleben blicken lasse.
Wie ich dich kennengelernt habe, träumst du nachts lieber von Katzen, oder?
Ja, ich liebe Katzen und habe auch eine. Die ist leider nicht in Berlin, sondern in Kleinwallstadt bei meinen Eltern. Taranto sehe ich momentan also alle acht bis zwölf Wochen, wenn ich in die Heimat zurückfahre. Während meiner zwei Jahre in Berlin kam das auch mal seltener vor…
Bist du für den Job nach Berlin gezogen?
Mein Freund und ich haben eine Wohnung in Berlin angeboten bekommen – und wer eine Wohnung in Berlin angeboten bekommt, ohne selbst zu suchen, muss sie auch nehmen (lacht) Als ich die Stellenausschreibung auf Instagram gesehen habe, wusste ich nicht, was mich erwartet, aber ich erinnere mich, dass ich einfach nur gedacht habe: geil, da bewerb ich mich!
Was macht ein Resilienz-Dispatcher?
Ich musste den Begriff auch erst mal googeln (lacht). Das ist eine Stelle, die der Berliner Senat geschaffen hat, deshalb gibt es diese auch kaum außerhalb von Berlin. IT-Resilienz meint die Qualitätssicherung digitaler Prozesse, also, dass bei der digitalen Arbeit auch das Ergebnis rauskommt, was man wollte. Digitaler Barriereabbau ist dabei auch ein ganz großes Thema.
Das klingt erstmal sehr allgemein…
Das stimmt, aber meine Ausbildung zum Fachinformatiker hat mich darauf gut vorbereitet. Meine siebzehn Jahre Berufserfahrung wahrscheinlich auch. Und von meiner Denkweise her war ich schon immer gut darin, Probleme zu identifizieren und zu lösen. Ich bin eben ein Technokrat.
Vor welche Herausforderungen hat dich das Schwule Museum bisher gestellt?
Ich finde, wir haben ziemlich flache Hierarchien, was die Arbeit in der IT etwas schwieriger macht. Darum drehe ich ein paar Schleifen mehr als an anderen Orten, um mir ein ‚Go‘ abzuholen. Irgendwo ist das auch gut, weil das Endergebnis besser wird, wenn mehr Menschen mitentscheiden. Der Prozess ist eben nur langwieriger.
Du bist SMUs erste in-house IT-Person, wie ist das?
Ich arbeite eigentlich jeden Tag über elektronische Wege mit Sebastian Kraus zusammen, der dem SMU seit Ewigkeiten in Sachen IT einmal die Woche aushilft. Ich denke, wir konnten in unserer Zusammenarbeit dem Büro das Mindset der digitalen Wissenssicherung näherbringen—demnächst gebe ich zum Beispiel einen Workshop für die Hauptamtlichen des SMUs zur Nutzung des Wikis. Ansonsten bin ich super dankbar für die Leute hier, ich habe davor immer in eingestaubten Mittelstandsbetrieben gearbeitet. Das Publikum war da recht konservativ, deshalb war meine Anstellung am Schwulen Museum wirklich ein Befreiungsschlag. Den alten Job hat man für das Geld gemacht, nicht um glücklich zu werden…
Im Gegensatz zu hier?
Genau, hier verdiene ich deutlich weniger Geld, aber ich habe ein Stück privates Glück gefunden. Ich finde die politische Motivation hinter der Arbeit am SMU super, ich bin IT-technisch freier und kann in meinen Lösungsvorschlägen kreativer sein. Und nicht zuletzt kann ich persönlich hier auch freier auftreten, in meinem alten Büro hätte ich auf jeden Fall Nachteile erfahren, wenn ich mich geoutet hätte.
Das ist natürlich kein Zustand, wie schön, dass du jetzt bei uns bist! Was sind deine liebsten Erinnerungen an das SMU?
Mit Sicherheit jede Vernissage die wir hatten, aber besonders die Eröffnung der Ausstellung zum Tuntenhaus. Ich erlebe gerne die Schauen zum ersten Mal, genieße das Gewimmel und lehne mich mit einem Getränk zurück. Ich bin dann gerne offline, das ist ein gutes Kontrastprogramm zu meiner Arbeit. Privat nutze ich auch keinen Laptop mehr, wenn ich was machen muss, gehe ich an mein Tablet. Ich versuche also wirklich, meine Bildschirmzeit auf die Arbeit zu beschränken.
Dann bin ich aber gespannt, ob du uns ein analoges oder digitales Schätzchen mitgebracht hast…
Mein Schätzchen ist tatsächlich ein digitales: das SMU-Wiki. Zusammen mit dem Server ist das Wiki ein bisschen mein Baby, Sebastian und ich haben viel Arbeit reingesteckt, es neu zu denken und für den täglichen Gebrauch im Büro fit zu machen.
Moment, was ist ein Wiki?
Das Wort ‚Wiki‘ ist hawaiisch, bedeutet eigentlich ‚schnell‘ und bezieht sich auf die Wissensvermittlung. Es geht also darum, mit so wenig Barrieren wie möglich gemeinschaftlich Wissen zu sammeln. Der Wissenstransfer im Schwulen Museum ist nicht optimal und das Wiki ist ein Medium, dass dabei helfen kann. Immer wenn Menschen von hier gehen, geht ihr Wissen mit ihnen. Mit dem Wiki wollen wir dagegen angehen und das Wissen konservieren. Wird das Wiki kontinuierlich gepflegt, ist, selbst bei einem minimalen Arbeitsaufwand, der Zugewinn recht groß. Das begeistert mich!
Was macht dein Schätzchen besonders?
Ich habe davor natürlich auch schon mit Wikis gearbeitet, aber da die Inhalte dieses Wikis queer sind, war das Erarbeiten der Software-Struktur eben eine andere Erfahrung als sonst. An einer Struktur arbeiten zu dürfen, die queeres Wissen bewahrt, war eine schöne Aufgabe. Im Grunde ist das Wiki auch ein Work in Progress, ich bin mir sicher, dass nach dem kommenden Workshop mit dem Team neue Aufgaben anfallen, um das Wiki zu verbessern. Ich mag diesen kollaborativen Aspekt des Wikis.
Dein Schätzchen in drei Worten?
Ist einfach unverzichtbar (beide lachen).
Sehr gut. Du bist auch unverzichtbar! Gibt es schon Pläne, wie du dem SMU über deine Arbeit hinaus verbunden bleiben kannst?
Wir sehen uns bestimmt auf einer kommenden Vernissage (lacht).
Du bist herzlichst eingeladen, lieber Manuel! Danke für das Gespräch.
(Interview & Foto: mino Künze)