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Schätzchen des Monats: Mascha Linke und die Stern Ausgabe #45, 1979

1. Dezember 2022

Mascha ist ein Smalltowngirl, das seit etwas mehr als zwei Jahren in Berlin lebt und hier die queere Szene mit formt. Als frischester SMU Zuwachs erzählt sie in diesem Interview von ihren Abenteuern im Archiv des Museums, und wie sie ihr neugewonnenes Lieblingsteil am besten für ihre transfeminine Agenda einsetzen will. 

Hallo, Mascha! Stell dich doch kurz vor: Wer bist du und wie hast du zu uns gefunden?

Ja, gerne, ich bin Mascha, 22 Jahre alt, gerade noch in meinem Studium der Europäischen Ethnologie und bin jetzt gerade Praktikantin im Schwulen Museum im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Und als ich eines schönes Tages auf Social Media war hab ich die Stellenausschreibung gesehen und dachte mir: „Hmm, für mein Studium muss ich auch ein Praktikum machen… Pause vom Studieren und ab ins Schwule Museum, das klingt gut!“ Dann habe ich mich beworben. Ich kannte das Schwule Museum zwar schon, weil ich bei meinem Umzug nach Berlin, vor ein bisschen mehr als zwei Jahren, mal „queer museum“ gegoogelt habe und das Schwule Museum dabei rauskam. Aber die Bewerbung war jetzt total spontan.

Wir sind froh dich zu haben! Was sind hier deine Aufgaben, und gibt es bestimmte, die du richtig gerne machst?

Ich mache vieles im Bereich digitale Kommunikation: Arbeit an der Webseite, Social Media Sachen, das Schreiben von kleinen Texten… Ich schreibe schon echt gerne, aber besonders Spaß macht es mir, Verbindungen zwischen verschiedenen Dingen zu ziehen. Wenn ich also einen Beitrag schreibe, denke ich gerne darüber nach, wie ich Verknüpfungen zu beispielsweise Kunstwerken herstellen kann. Auch zu durchdenken, wie man das auf eine Art darstellen kann, die den Leuten auf Social Media gefällt, finde ich interessant… Sowas halt!

Du bist jetzt noch nicht lange bei uns, aber hattest du schon so einen richtig schönen Tag, der dir im Gedächtnis geblieben ist?

Es gab schon viele schöne Tage *lacht* Ich glaube ein paar der schönsten Stunden habe ich letztens im Archiv verbracht. Da war ich unten im Keller und habe mir einfach Sammlungen angeguckt. Dabei habe ich einiges an Sammlungen mit dem Themenschwerpunkt Trans* gefunden und fand das mega interessant. Irgendwie war ich dann auch total davon beeindruckt, wie viel Erinnerung auf so einer kleinen Fläche gesammelt werden kann. Danach hatte ich richtig gute Laune! Auch als ich danach nach Hause gefahren bin, konnte nichts an dieser guten Laune rütteln.

Das klingt perfekt! Das bringt uns schon zu deinem Schätzchen, das hast du ja auch aus dem Archiv des SMUs ausgegraben. Willst du es uns vorstellen?

Klar, ich zeig dir das mal. Mein Schätzchen ist ein Artikel aus der Zeitung Stern aus dem Jahr 1979. Die Ausgabe hat sich allgemein dem Thema „Geschlecht“ gewidmet, und deshalb auch Trans*Personen gefeaturt. Und da ist ein Artikel drin, da ist ein Bild dabei das ich richtig toll finde: es zeigt eine Frau, die sich gerade Östrogen in die linke Pohälfte spritzt; und ich liebe es! Es gibt ja viele Menschen, die DIY transitionieren und ich finde das immer richtig krass, weil diese Menschen das sozusagen auf eigene Gefahr hin machen müssen, ohne medizinisch-professionelle Infrastrukturen, bei denen man dann beispielsweise eigene Blutwerte gecheckt bekommt. Und ich finde das auch so schön, weil es einfach schon vierzig Jahre her ist. Darum ist das gewissermaßen mein Schätzchen, aber für mich steht es damit auch für die ganze Sammlung Trans*, die wir von einer Person mit dem Pseudonym Rebro erhalten haben. Die umfasst fünf Kisten, in denen akribisch Zeitungsartikel gesammelt wurden – das muss eine Riesenarbeit gewesen sein! Ich bin dankbar dafür, dass dieses Wissen so gespeichert werden konnte und nicht verloren gehen musste. Ich glaube, das ist insgeheim das wahre Schätzchen.

Und was verbindet dich mit deinem Schätzchen?

Naja, ich bin ja auch trans und merke, wie die Geschehnisse damals heute noch Bedeutung für mich tragen. Also zur geschichtlichen Einordnung: der Artikel kam 1979 raus, 1981 das sogenannte Transsexuellengesetz und das soll ja heute wieder abgeschafft werden. Und das trifft mich dann irgendwie persönlich in solchen Artikeln zu lesen, wie dieses Gesetz trans Personen „Rechte geben soll“. Klar hat es manchen Menschen damals erlaubt, ihren Geschlechtseintrag zu ändern und war in dem Sinne irgendwo progressiv. Aber das Gesetz bleibt trotzdem auf vielen Ebenen problematisch. Ich sehe viele der Quälereien, denen trans Personen damals ausgesetzt waren, wie fehlender Kostenübernahme seitens der Krankenkasse, noch heute – die Zeiten haben sich also auf jeden Fall geändert, und gleichzeitig irgendwie auch nicht. Es offenbaren sich auf jeden Fall Kontinuitäten.

Würdest du deinem Schätzchen gerne wem schenken, wenn du könntest?

 Ja! Ich würde es richtig gerne groß ausdrucken und so einem dummen Endokrinologen schenken, der das dann an seine Wand in einem Wartezimmer hängen muss. *lacht* Ich habe immer so ein schlechtes Gefühl bei denen, weil die meistens cis-geschlechtlich und männlich sind, ihr Geld daran verdienen Geld, dass ich transitionieren möchte und muss und dann den Nerv haben, so gatekeeping zu sein! Ich habe da einfach schon zu viele nervige Erfahrungen gemacht, in denen ich das Gefühl hatte, ich bin einfach nur so eine Akte, die man in 10 Minuten durchgearbeitet bekommen möchte. Die haben auch oft nicht auf meine Bedürfnisse gehört, was das Ganze schwerer gestaltet hat, als es hätte sein müssen. Darum würde ich dem dann gerne ein Bild davon hinhängen, wie Leute sich einfach selbst um ihre Transition kümmern, weil sie von den öffentlichen Gesundheitssystemen im Stich gelassen werden oder da keinen Platz finden. Meine Bewunderung gilt diesen Menschen, die sich kollektiv organisieren, um sich dem zu widersetzen. 

 

Foto: Mino Künze