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Leserbrief: Tschaikowsky, Homophobie und SZ-Feuilleton

20. Juni 2016

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben mit großem lnteresse den Artikel ,,Der Sieg der Vernunft ist der Tod der Liebe“ (12. Juni) von lhrem Opernkritiker Reinhard Brembeck gelesen, wo er die Amsterdamer Neuproduktion von Tschaikowskys,,Pique Dame“ bespricht. Da findet sich der Hinweis auf die ,,(angebliche) Homosexualität“ des Komponisten, was mit einer Klammer in Frage gestellt wird, als sei Tschaikowskys sexuelle Orientierung und ldentität eine Frage der lnterpretation und ein Aspekt, den man auch anders sehen könnte.

Wir möchten als Schwules Museum* gegen solch eine Art des Formulierens protestieren. lm Fall Tschaikowsky gibt es Tagebucheinträge und Briefe in Hülle und Fülle, in denen der Komponist selbst seine gleichgeschlechtlichen Sexabenteuer beschreibt. Diese Dokumente sind seit langem zugänglich, wissenschaftlich aufbereitet und ins Deutsche übersetzt. Sie bildeten 20L5 auch die Basis für den Dokumentarfilm ,,Die Akte Tschaikowsky“ von Ralf Pleger. Nun in lhrer ansonsten fi.ir ihre Liberalität und gesellschaftspolitische Offenheit bekannten Zeitung so zu tun, als gäbe es all das nur gerüchteweise und die belegte Homosexualität Tschaikowskys nicht als Selbstverständlichkeit zu behandeln, sondern im Jahr 2016 neuerlich in Frage zu stellen, empfinden wir als einen peinlichen Akt der Homophobie. Der ist zwar durchaus typisch frir die deutsche Musikwissenschaft, nicht aber für die SZ.

Vielleicht können Sie in Zukunft dafür sorgen, dass Herr Brembeck solche persönlichen Ausfälle gegen Homosexuelle unterlässt, gerade in Zeiten, wo im Schatten von Orlando auch in Deutschland intensiv über den Umgang von Politik und Medien mit LGBT-Menschen diskutiert wird.

Gezeichnet: Dr. Kevin Clarke (Vorstandsmitglied)