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LOOKING FOR QUEERDOM: Interview mit Anina Falasca und Felix Roadkill

21. Juni 2018

Ein Gespräch mit den Kurator_innen Anina Falasca und Felix Roadkill, die das Juli/August-Programm (inkl. Workshop) in der 12 Monde Filmlounge kuratieren.

 

Das 7. Programm läuft unter dem Titel „Looking for Queerdom“. Worum geht es?

Der Titel ist Programm! Es wird um die Suche nach dem Queeren als Ausbruch in ein freiheitliches Leben gehen. Das trifft unseres Erachtens besonders auf Jugendliche und junge Erwachsene zu, die sich in den begrenzten Strukturen der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft gefangen fühlen. Mädchen, junge Frauen, Lesben, Trans*- und Inter*personen sind besonders oft gezwungen, Momente der Zugehörigkeit und der Abgrenzung auszuhandeln. Die damit verbundenen Probleme und Herausforderungen sollen in den Filmen des siebten Mondes sichtbar gemacht werden. Unser Interesse galt Arbeiten, in denen das kollektive Empowerment befördert wird und wir haben uns für fünf beispielhafte Online-Formate wie Webserien und YouTube-Videos entschieden, die junge FLT*I* direkt ansprechen und auf die sie unkompliziert auch nach Ende des 7. Mondes zugreifen können.

Ihr habt euch als Kurator_innen ein Konzept überlegt, das einen Workshop mit Jugendlichen beinhaltet. Was versprecht ihr euch von diesem Workshop?

Wir versprechen uns gesellschaftliche Teilhabe, denn  wer, wenn nicht das Schwule Museum, kann es schaffen, ein Zentrum für all die beautiful queers und ihre Verbündeten zu sein? An so einem Ort wird geliebt und gelebt, aber es fallen auch Späne. Diese Idee der Werkstatt – der gelebten Praxis – greifen wir auf, indem wir junge FLT*I* nicht nur zum Filme gucken einladen, sondern auch Möglichkeiten schaffen, für ihre eigenen Geschichten eine Sprache zu entwickeln, die sich in Videos und Clips übersetzen lässt. Zusammen mit der Workshopleitung werden die Teilnehmenden zum queeren Denken angeregt, um Geschlechterrollen infrage zu stellen und um einander für Homo- und Trans*feindlichkeiten zu sensibilisieren. Die erarbeiteten Ergebnisse der Teilnehmenden werden darüberhinaus in das täglich laufende Programm (18.07. – 10.08.) übernommen und einer breiteren Öffentlichkeit sichtbar gemacht.

Wie ist der Workshop aufgebaut, wie ist der Ablauf? Wie viel Zeit und welche Fähigkeiten müssen die Teilnehmenden mitbringen?

Der Workshop richtet sich an Mädchen, junge Frauen, Trans*- und Inter*personen im Alter von 14 bis 20 Jahren und findet an fünf Tagen von Montag, 9. Juli, bis Freitag, 13. Juli, jeweils von 10 bis 15 Uhr statt. Zu Beginn werden wir zusammen mit den Teilnehmenden die Filme des siebten Programms der 12 Monde Filmlounge schauen. Davon inspiriert wollen wir über das Gesehene sprechen, Fragen klären und Diskussionen anregen, um uns dem komplexen Themenfeld Queerfeminismus sensibel zu nähern. Anschließend wird Sanni Cabral verschiedene kreative und technische Übungen mit der Kamera anleiten aus denen filmische Arbeiten über die eigenen Geschichten und Gedanken der Teilnehmenden entstehen. Erste Berührungspunkte mit Begriffen wie „Queer“ oder „Feminismus“ sind hilfreich, aber keine Voraussetzung.

Wer leitet den Workshop, wie kam der Kontakt zustande?

Die Filmemacherin Sanni Cabral wird den Filmworkshop gemeinsam mit den Jugendlichen durchführen. Sie arbeitet seit einigen Jahren im Bildungsbereich zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Sie ist Künstlerin und Trans*-Aktivistin und organisiert die Veranstaltungsreihe EMPOWER für People of Color,  Queers und Trans* in der Clubkultur. Der Kontakt ist über die Kooperation mit dem Archiv der Jugendkulturen zustande gekommen, wo Sanni Cabral im Projekt „Diversity Box“ als Workshop-Teamerin arbeitet. Das Projekt beschäftigt sich in unterschiedlichen Workshop-Formaten mit Homo- und Trans*feindlichkeit in der Gesellschaft und im Kontext von Jugendkulturen.

Das Schwule Museum macht trotzdem nicht allzu oft Projekte mit Jugendlichen. Wie soll sich das ändern?

Bildungsarbeit und die Zusammenarbeit mit Schulen ist uns ein zentrales Anliegen und auch so in der Satzung des SMU verankert. Es gibt verschiedene Angebote für junge Menschen: Schulklassen und Jugendgruppen kommen regelmäßig für Führungen und Workshops ins Museum.
Wir freuen uns besonders über die Zusammenarbeit mit dem Archiv der Jugendkulturen und mit Jugend im Museum und möchten die Partnerschaft in Zukunft intensivieren. Außerdem wollen wir die Kooperationen mit engagierten Lehrpersonen von Berliner Schulen nachhaltig stärken. Nicht zuletzt, indem wir unsere Bildungsangebote als praxisorientierte Ergänzung des schulischen Curriculums als eine unserer Kernkompetenzen verstehen. Von Seiten der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, die unseren Workshop finanziell möglich macht, gibt es ebenfalls ein Interesse an weiterführenden Projekten in der Bildungsarbeit zu den Thematiken Antidiskriminierung und geschlechtliche Vielfalt.

Sind die Erfahrungen von Jugendlichen heute eigentlich schon „museumstauglich“ – also historisch? Ab wann gehört etwas ins Museum, konkret ins Schwule Museum?

Museen sind schon längst nicht mehr ausschließlich Orte für die einseitige Präsentation des Vergangenen. Sie haben den Auftrag, die Gesellschaft aktiv mitzugestalten, das heißt, Gegenwart zu schaffen und Zukunft zu entwerfen. Besonders das Schwule Museum ist als Begegnungsraum für Menschen mit Diskriminierungserfahrungen ein Ort der Fortsetzung und Verhandlung ihres Alltags. Das muss sich auch in den Ausstellungen und Veranstaltungen wiederspiegeln. Junge Menschen und ihre Erlebnisräume unterliegen einem ungeheuren Tempo und es gibt nicht so etwas wie die eine Jugendkultur, weshalb es für ein Museum besonders kompliziert ist, relevante Identifikationsebenen für Jugendliche zu schaffen. Es geht nicht darum jugendliche Erfahrungen als historisch oder als abgeschlossen zu begreifen, sondern darum, ihre dynamischen Eigenschaften anzuerkennen. Darin liegt das Potential für progressives Denken, für Innovation und Fantasie. Das hat bekanntlich noch keinem Museen oder unserer Gesellschaft im Allgemeinen geschadet.

Die Ergebnisse des Workshops sollen mit einer Filmpremiere ins Programm des 7. Mondes übernommen werden? Wann ist die Premiere, was passiert da: Scheinwerfer, Kameras, roter Teppich wie bei der Berlinale oder wird es ganz anders?

Genau, es wird eine Präsentation der Workshopergebnisse geben. Vorausgesetzt natürlich, die Teilnehmenden sind damit einverstanden, dass ihre Arbeiten ins laufende Programm übernommen werden. Wir wollen offenhalten wie genau die Präsentation aussehen wird, da die teilnehmenden FLT*I* die kreativen Köpfe des Projekts sind. Es ist uns wichtig, dass sich die Jugendlichen damit wohlfühlen. Wir werden sie jedoch darin ermutigen, selbstbewusst Ideen zu formulieren und über ihren eigenen Schatten zu springen.

Wie werden die Filme aus dem Workshop zu den anderen Filmen/Webserien des siebten Monds stehen?

Wir sind gespannt, wie sehr sich Zusammenhänge und Querverbindung, aber auch kontroverse Gegensätze zwischen den Filmen der Jugendlichen und den Filmen im Programm zeigen. Mit Sicherheit wirkt sich die Webserie Mixed Messages von Kanchi Wichmann mit ihrem fiktiven Plot rund um die lesbische Datingkultur in Berlin anders auf die Workshoparbeiten aus, als die persönlichen Botschaften der YouTube-Persönlichkeit Jans. Die Videos von einjansMixed Messages und von den anderen ausgewählten Online-Formaten Genders*Auf Klo und Berliner Farben vereint ihr Auftrag junge Menschen zu empowern und ihnen alternative Entiwcklungsräume aufzuzeigen. Wir sind uns sicher, dass das auch auf die Arbeiten der Workshopteilnehmenden abfärben wird, aber letztlich werden wir uns bei der Präsentation der Workshopergebnisse am 18. Juni im Schwulen Museum überraschen lassen.

 

Interview: Dr. Kevin Clarke und Bastian Neuhauser.

 

Looking for Queerdom ist eine Kooperation mit dem Archiv der Jugendkulturen // Diversity Box, EMPOWER und Jugend im Museum.

 

Looking for Queerdom wird von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie gefördert.

 

Die 12 Monde Filmlounge wird als Teil des Projekts Jahr der Frau_en von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa gefördert.