Mit Trauer haben wir vom Tod des Historikers Joachim Müller erfahren. Joachim war seit 1994 Mitglied im Verein der Freundinnen und Freunde des Schwulen Museums. Er hat über viele Jahre lang die Geschichte homosexueller Männer in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern erforscht. Im Schwulen Museum arbeitete er mit SMU-Mitgründer Andreas Sternweiler zusammen an der Ausstellung „Verfolgung homosexueller Männer in Berlin 1933-1945“ mit, die 2000 eröffnete, gemeinsam gaben sie den Sammelband „Homosexuelle Männer im KZ Sachsenhausen“ (Berlin: Verlag rosa Winkel, 2000) heraus, für den, wie Andreas Sternweiler in seinem Vorwort schrieb, „Joachim Müller im Archiv der Gedenkstätte Sachsenhausen mühselige Recherchen vorgenommen und zahlreiche kleine Spuren und Bruchstücke zusammengetragen“ hatte. Bis zu ihrer Grundlagenforschung, die sie seit einer frühen Ausstellung im Schwulen Museum zur Geschichte des §175 im Jahr 1990 betrieben, war die Situation von schwulen Männern im KZ Sachsenhausen kein Forschungsgegenstand der Gedenkstätten. Die nach 1945 anhaltende Diskriminierung führte dazu, dass sich die Überlebenden nicht meldeten. Umso mehr muss man die akribische Arbeit Joachims wertschätzen. 600 Häftlinge mit Kennzeichnung „BV 175“ konnte er ermitteln, von einigen die Lebensgeschichte durch Aktenfunde oder Befragung von Angehörigen und Freunden rekonstruieren, lediglich drei Personen konnten er und Andreas Sternweiler noch befragen.
Joachim Müller wurde 1938 im ostdeutschen Bitterfeld geboren, zog 1959 nach Westberlin, seit 1984 setzte er sich für die Anerkennung homosexueller Männer als Opfer des Nationalsozialismus ein. Er initiierte eine der ersten Gedenkveranstaltungen für homosexuelle Häftlinge in der Gedenkstätte Sachsenhausen und war von 1993 bis 2001 Mitglied im Internationalen Beirat der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Im Jahr 2000 erhielt er für seine Verdiente den Magnus-Hirschfeld-Preis, am 5. April 2013 das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland. „Durch intensive und mühsame Recherchen hat er die Geschichte und das Schicksal der jahrzehntelang tabuisierten Opfergruppe im Konzentrationslager Sachsenhausen erstmals öffentlich gemacht. (…) In den vergangenen 20 Jahren hat er den Lesben- und Schwulenverband in Fragen der Gedenkpolitik immer wieder konstruktiv beraten und kritisch begleitet“, würdigte ihn zu diesem Anlass Ulrich Keßler vom Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD). Andreas Sternweiler erinnert sich an „eine intensive Zusammenarbeit mit Joachim. Er hat seine Recherchen mit voller Leidenschaft betrieben, auch, weil er selbst betroffen war: als junger Mann wurde er auf der Grundlage von §175 verurteilt“.
Am 13. April 2025 ist Joachim Müller im Alter von 87 Jahren in Berlin gestorben. Wir sind in Gedanken bei seinen Freund*innen und Wegbegleiter*innen.
Foto: Frank Roland-Beeneken (1984) / Siegessäule (im Archiv des Schwulen Museums)