Der Juni im Überblick
Seit zweieinhalb Wochen sind wir nun wieder da und ach, es fühlt sich gut an. Nachdem wir am 13. Mai die Ausstellungen eröffnen konnten, sind seit dem 3. Juni nun Bibliothek und Archiv wieder offen für Besucher*innen. Auch hier gelten neue Sicherheitsmaßnahmen – weil es enger ist als im Museumsbereich, ist es eine größere Herausforderung, den Mindestabstand zu garantieren. Deswegen ist ein Besuch vorerst nur nach Anmeldung möglich – bitte schreibt vorher (idealerweise eine Woche) an archivbibliothek@schwulesmuseum.de und bittet um ein zwei- oder vierstündiges Zeitfenster, um ungestört forschen, lesen und entdecken zu können. Achtet bitte auch auf die neuen Öffnungszeiten: Bibliothek und Archiv stehen euch montags, mittwochs und freitags von jeweils 14 bis 18 Uhr zur Verfügung, der Donnerstag fällt vorübergehend weg.
In den Ausstellungen hatten wir die Öffnungszeiten freitags und samstags ja bis 20 Uhr verlängert, was die Besucher*innen allerdings noch nicht in überwältigender Menge nutzen – bislang konzentrieren sich die Gäste sehr auf die alten Öffnungszeiten. Bis Mitte Juni schauen wir uns an, ob sich daran etwas ändert, dann passen wir eventuell neu an. Auf unserer Website und via Facebook, Instagram und Twitter informieren wir euch immer über spontane Neuigkeiten.
Sonst freuen wir uns sehr, dass das neue Online-Buchungssystem für die Zeitfenster-Eintrittskarten so gut angenommen wird. Die Besucher*innenzahlen der ersten zwei Wochen haben uns sehr ermutigt. Auch wenn sich die Abwesenheit von Tourist*innen natürlich bemerkbar gemacht hat, freuen wir uns sehr über den Zuspruch der Berliner Community. Jetzt fehlen eigentlich nur noch die Wiedereröffnung des Cafés und die Rückkehr unserer Abendveranstaltungen. Damit wir endlich wieder mit euch anstoßen können!
Wir freuen uns auf euren Besuch. Seid euch gewiss, dass sich hinter jedem Mundschutz ein Lächeln verbirgt.
Interview mit Peter Rehberg
Seit einem halben Monat ist die Ausstellung 100 Objekte: An Archive of Feelings nun zu sehen. Sie präsentiert 100 ausgewählte Schätze aus unserem Archiv, die in den fünf Gefühlen Freude, Fürsorge, Begehren, Wut und Angst angeordnet sind. Wie das genau funktioniert, kann am besten Peter Rehberg erklären, denn als Kurator der neuen Ausstellung und als Leiter der SMU-Sammlung, kennt niemand das Archiv so gut wie er. Deswegen haben wir ihn zum Interview gebeten und ihm die drängendsten Fragen gestellt: Was sind die Highlights? Wie sah der Auswahlprozess aus? Was hat es mit den fünf Gefühlen auf sich? Wie sind er und Co-Kurator Ben Miller auf den Titel gekommen? Wie hat sich die Sammlung mit den Jahren verändert und wie soll sie sich weiterentwickeln? Alle Antworten und noch viel mehr gibt es hier.
Digitales Angebot
Von Publikumsveranstaltungen und klassischen Führungen durchs Museum müssen wir vorerst weiter Abstand halten. Auf virtuellem Weg führen wir euch dennoch durch das SMU. Am Mittwoch ist die zehnte und somit letzte Folge unserer Führung durch Love at First Fight! erschienen. Kuratorin Carina Klugbauer nimmt euch mit auf (mehr als) 50 Jahre queere Bewegungsgeschichte in Deutschland. Einblicke ins (post-)migrantische Nachtleben rund ums SO36 erhaltet ihr im Video zu Nihad Nino Pušija: Queens. Als dritte Online-Tour folgt im Juni ein (eigentlich schon für Mai angekündigtes) Video zu The Souls Around Us auf Facebook und YouTube. Wir haben die Laufzeit der Ausstellung mit den Bildern von Amos Badertscher übrigens bis zum 27. Juli verlängert.
Wenn ihr herausfinden wollt, welcher Gegenstand aus unserem Archiv am besten zu euch passt, geht auf Instagram. Dort könnt ihr an der Queer Object Challenge teilnehmen und euren Snap Moment mit uns teilen.
Freiwillige vor: Gernot Lindner
Ohne Menschen wie Gernot Lindner kämen wir im Schwulen Museum nicht weit. Ob an der Kasse, im Café oder in der Aufsicht: Der 59-Jährige lässt sich nie aus der Ruhe bringen und hat für alle Gästefragen eine Antwort parat. Gernot ist in der Nähe von Bamberg aufgewachsen und hat an der Münchener Kunstakademie Malerei studiert, um schließlich Kunstlehrer zu werden – und das leidenschaftlich gern, wie er sagt. Nach Stationen in Antwerpen und in Bayreuth ist er im Jahr 2016 an einem Gymnasium in Berlin-Spandau gelandet – und nahezu zeitgleich im Freiwilligen-Team des Schwulen Museums. Im Interview auf unserer Website erzählt er, was er an der Arbeit schätzt, warum er Charlotte von Mahlsdorf bewundert und wie er einmal in Salzburg einem berühmten Schriftsteller auflauerte.
Objekt des Monats: Shorts von Charlotte von Mahlsdorf
Eigentlich wird das Objekt des Monats traditionell im Museumscafé präsentiert – bis das wieder öffnen darf, stellen wir an dieser Stelle besondere Stücke aus der neuen Ausstellung 100 Objekte vor. Diesmal ist es das Lieblingsstück von Gernot, unserem Ehrenamtlichen des Monats: die Jeans-Shorts der legendären Charlotte von Mahlsdorf samt Brief.
Darin ist zu lesen: „Eines will ich euch erzählen: Ich holte meine Sammlung an kurzen Hosen aus dem Schrank – Cordsamthose, Nietenhose, Jeanshose, Badehose, Lederhose – und breitete sie auf dem Bett aus, während er auf Zettelchen Nummern von 1 bis 6 schrieb, die er den verschiedenen Hosen zuordnete. Die nächste Zettelsammlung war bestimmt für die verschiedenen Zuchtinstrumente – dünner Rohrstock, dicker Rohrstock, Rute, Peitsche, Siebenstriemen…“
Dieses Spiel spielte Charlotte von Mahlsdorf mit ihrem Freund Jochen, den sie über eine an die Wand gekritzelte Botschaft auf einer öffentlichen Toilette kennengelernt hatte: „Freund, 47, sucht Freund für gegenseitige Hiebe mit Rohrstock, Rute oder Peitsche“. Die beiden blieben fast dreißig Jahre zusammen.
Charlotte von Mahlsdorf sah sich selbst als „Transvestit, ein weibliches Wesen in einem männlichen Körper“ und als Masochistin. Sowohl ihrer Trans* Identität als auch ihrer Freude an Kink war sie sich schon im Jugendalter bewusst. Seit dem Kriegsende trug sie in der Öffentlichkeit auch im Alltag Kleid. Herbert von Zitzenau „Herrenreiter mit Villa in Karlshorst“, Offizier des ersten Weltkrieges, war ihr erster richtiger Playpartner. Das Begehren älteren Männern gegenüber, ebenso wie Rollenspiele und die Fähigkeit, heteronormative Erwartungshaltungen zu zerschreddern, blieben ihr Leben lang prägend.
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