Am 29.09.2018 wählte die Mitgliederversammlung des Vereins der Freundinnen und Freunde des Schwulen Museums einen neuen achtköpfigen Vorstand. In dem nach wie vor maßgeblich vom ehrenamtlichen Engagement von mehr als 80 Menschen getragenen Haus spielt der ebenfalls ehrenamtlich tätige Vorstand auch im operativen Geschäft eine wichtige Rolle – etwa indem er als kollektives Gremium das Programm gestaltet, für die Finanzierung mit Projektanträgen sorgt und auch in Projektleitung oder Kuration an den konkreten Ausstellungen bzw. der Organisation und Moderation von Veranstaltungen beteiligt ist.
Seit Anfang des Jahres eskalierte ein lang schwelender Konflikt um die Ausrichtung des Hauses. Die Mitgliederversammlung war entsprechend gut besucht, mehr als 100 Mitglieder wollten sich an der historischen Abstimmung beteiligen. Mit mehr als 80 Neueintritten v.a. im Vorfeld der Versammlung verzeichnet der Verein 2018 einen rekordverdächtigen Zuwachs und mit einem im Vergleich zu den vorherigen Versammlungen deutlich vielfältigeren Publikum repräsentierte es die Berliner Regenbogengemeinde wirklichkeitsnäher als in den bisherigen Versammlungen.
Die seit einigen Jahren verfolgte Strategie, das Schwule Museum für die Perspektiven der gesamten LGBT*IQ+ Community zu öffnen, also aus dem vormals mehr oder weniger exklusiv „schwulen“ ein „queeres“ Museum zu machen und dabei besonders feministische Anliegen und die Positionen derer zu berücksichtigen, die in Museum, Community und Gesellschaft marginalisiert werden, gefällt nicht allen. Der Ausgang der Vorstandswahl ist nun ein klares Votum der Mitgliederversammlung, diesen Kurs weiterzuführen:
Alle vier wieder kandidierende Vorstände (Birgit Bosold, Vera Hofmann, Jan-Claus Müller und Heiner Schulze) wurden bestätigt. Neu dazu kamen Farzada Farkhooi, Chris Izgin, Ben Miller und Brigitte Oytoy, womit der neue Vorstand (mit einem Altersdurchschnitt von 38 Jahren) unter den großen queeren Institutionen in Deutschland nicht nur einer der jüngsten, sondern auch einer der diversesten sein dürfte – mit einem feministischen Selbstverständnis und starken weiblichen*, PoC und Trans*-Stimmen. Unsere Bios findet ihr unter https://www.schwulesmuseum.de/vorstand/
Wolfgang Theis – unsere Gründungsmutter – ist übrigens begeistert: „Ich finde das Ergebnis der Vorstandswahl ganz wunderbar und freue mich, dass der Feminismus gesiegt hat. Die letzten Tage des Patriarchats sind nun auch im Museum angebrochen. Streit muss sein und es muss sich alles ändern, damit es bleibt, wie es ist. Dem neuen Vorstand wünsche ich Standhaftigkeit, Zielstrebigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen die Zumutungen der Zeit und der Ideologien.“
Nicht nur die MV hat ein positives Votum für unser Programm abgegeben, sondern auch unsere Besucher_innen: Nie kamen mehr Frauen* zu unseren Ausstellungen und Veranstaltungen und wenn es so weitergeht, werden wir bis zum Ende des Jahres auch einen neuen Besucher_innenrekord aufstellen.
Auch im kommenden Jahr wird es wieder einen Schwerpunkt geben. Während 2018 anlässlich seines 150. Geburtstags Magnus Hirschfeld vor allem als „Schutzheiliger“ homosexueller Gleichberechtigung gefeiert wurde, möchten wir den 100. Geburtstag des von ihm gegründeten Instituts für Sexualwissenschaft zum Anlass nehmen, die Geschichte und Kultur von Trans*-Identitäten, in der Hirschfeld als Theoretiker und Aktivist eine wichtige Rolle spielte, in den Mittelpunkt zu stellen. Drei historische Ausstellungen und ein künstlerisches Projekt werden sich unterschiedlichen Aspekten widmen. Ergänzt wird das Programm durch zwei Ausstellungen, die sich ebenfalls eher wenig beleuchteten Aspekten der sexuellen Revolution widmen, die in Berlin am Anfang des 20. Jahrhunderts ihren Ausgang nahm: Neben einem Projekt von und über sexworkers, das daran erinnert, dass Hirschfeld sich auch für die Rechte von Sexarbeiter_innen engagierte, würdigt eine Schau zum 1919 uraufgeführten Film Anders als die Anderen, dem weltweit ersten Film, der offen Homosexualität thematisierte, Hirschfelds Bedeutung für die Filmgeschichte. Wie schon das Jahr der Frau_en wird auch der Schwerpunkt 2019 von der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa großzügig gefördert, ein deutliches Signal dafür, dass auch unsere Geldgeber_innen die Programmpolitik des Schwulen Museums positiv bewerten.
Wir danken allen, die uns unterstützt haben, v.a. im gerade zu Ende gehenden diskussionsintensiven Jahr. Wir laden aber auch unsere Kritiker_innen ein, mit uns im Gespräch zu bleiben, um herauszufinden, wie wir unsere Konflikte auf eine wertschätzende und produktive Weise austragen und das Museum zu einem Heimathafen für alle Queers machen können und zu einer Plattform, in dem die sehr unterschiedlichen, manchmal auch gegensätzlichen Bedürfnisse in Mitarbeiter_innenschaft, Verein und Publikum in unserer Sammlungsstrategie, in Veranstaltungen und Ausstellungen reflektiert werden.
Für alle, die sich bei uns engagieren möchten: Herzliche Einladung! Wir suchen Menschen, die uns unterstützen, u.a. bei der Durchführung unserer vielen Veranstaltungen. Infos dazu findet ihr unter https://www.schwulesmuseum.de/ehrenamt/
Berlin, Oktober 2018
Der Vorstand des SMU