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Pressemitteilung von Cassils: „In Wahrheit geht es um Transphobie“

19. Mai 2016

Im Zusammenhang mit der Sexismus- und Homophobiedebatte zwischen Deutscher Bahn AG, LWL-Museum für Kunst und Kultur Münster und Schwulem Museum* Berlin bzgl. des Postermotivs zur Ausstellung „Homosexualität_en“ hat sich der_die kanadische Trans*-Künstler_in Cassils zu Wort gemeldet. Cassils ist die Person, die man auf dem Poster sieht, es handelt sich um ein Kunstwerk von Cassils mit dem Titel „Advertisement: Hommage to Benglis“.

Cassils schreibt in einem Statement:

Dieses Poster mit meinem Bild darauf wurde ursprünglich von der Deutschen Bahn AG aus allen Bahnhöfen verbannt. Auch wenn DB inzwischen diese Entscheidung revidiert hat, nach massiven Protesten wegen Homophobie, so ist für mich das eigentliche Thema Transphobie.

Bevor die Blockbuster-Ausstellung ‚Homosexualität_en‘ in Münster eröffnet wurde, hatte die Bahn das Poster für Werbezwecke im Bahnbereich abgelehnt; es war zuvor allerdings sehr prominent in Berlin zu sehen, als die Ausstellung am Deutschen Historischen Museum und am Schwulen Museum* lief und entsprechend beworben wurde.

‚Hommage to Benglis‘ zeigt den durchtrainierten Körper Cassils, fotografiert von Robin Black. Das Bild entstand auf dem Höhepunkt einer 160-tägigen Performance, bei der Fleisch als Skulpturmaterial eingesetzt wurde. Es ging darum, binäre Geschlechtergrenzen zu durchbrechen und einen Trans*-Körper zu präsentieren, der sich typischen Gender-Klassifikationen widersetzt. ‚Advertisement: Hommage to Benglis‘ bezieht sich direkt auf einen berühmten Moment in der feministischen Kunstgeschichte, als die Künstlerin Lynda Benglis eine ganzseitige Anzeige schaltete im Kunstmagazin ‚Artforum‘. Darauf präsentierte sie sich nur mit Sonnenbrille und einem doppelseitigen Dildo, posierend als Pin-up. Während die Originalanzeige von Benglis als Kommentar auf die sexistische und gender-gebundenen Einschränkungen in der Kunstwelt gelesen werden sollte, benutzt  meine Hommage die gleiche Strategie, um die Gender-Ausgrenzung (‚gendered policing‘) von Trans*- und nicht-normativen Körpern in der Welt zu kritisieren.

Die Motivprüfstelle der Deutsche Bahn AG hatte das ‚Homosexualität_en‘-Poster ursprünglich als ‚sexualisiert‘, ‚sexistisch‘ und ‚pornografisch‘ eingestuft und abgelehnt, weil es gegen die Richtlinien des Deutschen Werberats verstoße. Diese pseudo-feministische Ablehnung des Motivs ist ein himmelschreiendes Beispiel von Transphobie, nicht von Homophobie. Es erinnert an die vielen anderen Beispiele von Transphobie, wo versucht wird, die Präsenz von Trans*- und nicht-genderkonformen Körpern in der Öffentlichkeit zu unterbinden.

In den USA wird dies momentan deutlich in der jüngsten Gesetzgebung im Bundesstaat North Carolina, wo Menschen gezwungen werden, öffentliche Toiletten zu benutzen, die zum Geschlecht gehören, das ihnen bei Geburt zugeschrieben wurde, anstelle ihrer aktuellen Gender-Identität. Anders als die populäre Hysterie suggeriert, stellt nicht die Anwesenheit von Trans*-Personen eine Gefahr dar, sondern sind nicht-genderkonforme Menschen – besonders People of Color – besonders gefährdet und häufig Opfer von Übergriffen.  Kunstwerke wie meins sind ein notwendiger Teil des Kampfes gegen Transphobie. Die jüngsten Versuche, mein Bild im öffentlichen Raum zu verbieten, unterstreichen lediglich die Notwendigkeit solcher Bilder.

Nachdem die Deutsche Bahn AG viel Kritik einstrecken musste wegen ihrer ablehnenden Entscheidung, hat sie diese inzwischen revidiert und das Poster freigegeben für Anzeigenflächen in ihrem Einflussbereich. Allerdings sind die entsprechenden Werbeflächen jetzt weitgehend anderweitig gebucht und nicht mehr verfügbar. Somit ist das Einlenken der Deutschen Bahn AG – eine leere Geste!

Deshalb lade ich alle Menschen ein, das ursprünglich verbotene Bild herunterzuladen und auszudrucken, um es über all diejenigen Anzeigen zu kleben, die sie als ‚sexistisch‘ empfinden und die im Bereich der Deutschen Bahn zu finden sind. Oder es zu posten mit dem Vermerk:

Sexistisch? Beschämend? Pornografisch?
#tagsexism #stopthebodypolice