burger Button

Touching Queer Archives

10. November 2023 10:00

Berührung ist ein zentrales Element in der Archivarbeit: Der Umgang mit Objekten, ihre Aufbewahrung und ihre Kategorisierung gehen in direkte Begegnungen mit den Resten, ausgewählten Überbleibseln und fragmentierten Objekten aus gelebten Leben, vergangenen Ereignissen und politischen Bewegungen über. Gleichzeitig fungiert das Archiv als Ort der geschützten Aufbewahrung und Sammlung ausgewählter oder zufällig zusammengetragener Objekte – es entsteht ein abgeschlossener und organisierter Raum mit strukturell ambivalenter Zugänglichkeit. Touching the Archive zielt darauf ab, die materiellen und medialen Bedingungen zu untersuchen, unter denen ein Archiv fassbar wird: Was braucht es, um lesbar und aktivierbar zu werden? Wie kommen wir mit dem Archiv in Berührung, und wie prägen institutionelle Rahmenbedingungen, Finanzierung und räumliche Aspekte ein Archivprofil?

Neben dem komplexen Feld archivarischer Praktiken und ihrer Akkumulations- und Selektionsdynamik erweitert die Veranstaltung die Frage der Berührung um den Aspekt der Medialität: Wie berühren uns Archive und wie kommen wir mit dem Archiv in Berührung? Wie strukturieren unterschiedliche Medialitäten von Objekten (z.B. Fotografie, Video, digitale Kunstwerke) die Modi der Erfahrung eines Archivs? Wie materialisieren sich Geschichten und Fragmente der Vergangenheit durch Medien?

Indem wir künstlerische Ansätze zur Archivierung in den Workshop einbeziehen, wollen wir uns auf die intermedialen Dimensionen des Archivs und auf die spezifischen affektiven und sensorischen Modi konzentrieren, die sie erzeugen. In Gesprächen mit diesen Praktizierenden, die mit und gegen das Archiv arbeiten, geht Touching the Archive über das Archiv als (halb)institutionalisierten Raum hinaus:  Wie erleichtern und formulieren künstlerische Ansätze die Frage, wie man mit archiviertem (und nicht archiviertem) Material in Kontakt kommt? Wie lösen Kunstwerke ein verändertes Verständnis davon aus, was Archivierung bedeutet, was sie bezweckt und welche Formen von Wissen und Zeit sie hervorbringt? Die Ansätze der Künstler*innen zwingen das Archiv, seine Lücken, seine unterdrückten Aspekte und seine Unlesbarkeiten aufzuspüren. Sie schaffen einen Raum für die Begegnung mit dem Archiv als einer ambivalenten Seite der Auslöschung nicht erzählter Geschichten, der hegemonialen Rahmung und der Entmemorisierung marginalisierter Leben.

Die beiden Tage des Workshops widmen sich diesen Fragen in Zusammenarbeit mit zwei Orten in Berlin:

Am 10. November verbringen wir den Tag im Bewegungsarchiv des Schwulen Museums Berlin für einen praktischen Workshop zum Thema Touching Queer Archives, der uns in den Raum und die Sammlungen des SMU führt. Wir werden eine Einführung in das Archiv, die Sammlung und die Geschichte des SMU erhalten. In kleinen Gruppen werden wir lernen, wie man sich dem Archivmaterial mit einer persönlichen und/oder Forschungsfrage nähert. Im ersten Teil werden die Arbeitsgruppen die so genannten „Mixkisten“ – Kisten mit bisher nicht erschlossenen und willkürlich zusammengestellten Archivalien – unter die Lupe nehmen und eine erste Annäherung an die Möglichkeiten eines Archivs und seine Herausforderungen und Grenzen formulieren. Der zweite Teil wird sich mit Forschungsmethoden im Archiv beschäftigen. Der Workshop bietet Raum für eine gemeinsame Diskussion und Reflexion über diese Erfahrungen.

Der zweite Tag, der in Kooperation mit dem Kunstraum Neun Kelche in Weißensee organisiert wird, schafft einen Raum für künstlerische Einsätze und Reflexionen über archivarische Praktiken, Werkzeuge und Materialien.

Eingebettet in die Ausstellung Kleber und Falten von Julia Lübbecke (ehemalige Artist in Residence am EXC Temporal Communities) in der Neun Kelche Berlin, bringt die Veranstaltung drei künstlerische Positionen miteinander in Kontakt, um die Medialität von Archiven und die Rolle visueller Medien im Kontext der Modellierung und Imagination von Geschichte zu diskutieren. Julia Lübbecke, Sabine Saba und Maxine Vajt stellen ihre Arbeiten vor und treten in einen Dialog miteinander und mit den Teilnehmer*innen. Im Mittelpunkt stehen die fotografische Berührung, Formen der Archivierung durch kulturelle Produktion und die Rolle der 3D-Modellierung bei der Imagination eines Archivs. Touching the Archive folgt den Künstler*innen an die Ränder der archivarischen Praktiken. In Begleitung der Installation von Julia Lübbecke, Maxine Vajts Arbeit über Trans-Videospiele als Manifestationssphäre von Trans-Perspektiven und Sabine Sabas Spurensuche nach dem queeren Erbe wird der Workshop in verschiedene Medienumgebungen und vermittelte Formen der Berührung eintauchen.

Um sich für die Veranstaltung anzumelden, schreibt bitte eine E-Mail an: sima.ehrentraut@fu-berlin.de

10. November 2023
10 Uhr – 17 Uhr
Schwules Museum Berlin
Lützowstraße 73, 10785 Berlin

11. November 2023
12 Uhr – 17 Uhr
Neun Kelche
Pasedagplatz 3-4, 13088 Berlin