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Konferenz „Sexualität, Holocaust, Stigma: Eine Bestandsaufnahme“

6. Dezember 2017 18:00

Die internationale Konferenz Holocaust, Sexualität, Stigma: Eine Bestandsaufnahme wird organisiert von Dr. Anna Hájková (University of Warwick) und Dr. Birgit Bosold (Schwules Museum*).

Die geschlossene Konferenz – großzügig gefördert von der Kulturstiftung des Bundes – findet statt zwischen vom 6. – 8. Dezember 2017 in Berlin statt, in der Evangelischen Bildungsstätte Schwanenwerder. Auf die Konferenz folgt eine öffentliche Podiumsdiskussion am Freitagabend im Gorki Theater.

Die Konferenz versammelt die wichtigsten Forscher_innen zum Themenbereich Holocaust und Sexualität für eine Bestandsaufnahme der Forschung. Dabei werden wegweisende neuere Trends unter die Lupe genommen, aber auch Forschungslücken und Desiderate thematisiert. Obwohl es in der Vergangenheit bereits verschiedene wichtige Konferenzen zu sexueller Gewalt im Holocaust gab und feministische Historiker_innen sich mit Gender und Schoa schon seit den 1980er-Jahren auseinandersetzen, gab es bislang noch nie eine Konferenz, die die Geschichte von Sexualität im Holocaust ins Visier nimmt.

Wir schauen gezielt auf Sexualität  jenseits von sexueller Gewalt, d. h. wir berücksichtigen auch Liebesbeziehungen, intime Freundschaften, rationale Beziehungen und sexuelle Tauschgeschäfte, Grauzonen und Übergänge bis hin zu sexueller/sexualisierter Gewalt, Vergewaltigung wie auch queere Sexualität_en und gleichgeschlechtliches Verhalten.

Wir folgen der These von Dagmar Herzog und anderen, dass Sexualität immer ein Bereich ist, in dem gesellschaftliche Zusammenhänge verhandelt werden und in dem daher fundamentale gesellschaftliche Normen und Regeln erforscht werden können.

Das Ziel unserer Konferenz ist, die verschiedenen Ergebnisse und Forschungsperspektiven zu synchronisieren, um einen umfassenderen analytischen Interpretationsansatz zu entwickeln.

Die zentrale Frage lautet: Wie sprechen wir überhaupt über Sexualität im Zusammenhang mit dem Holocaust? Was kann und was sollte erforscht werden? Welche ethischen, analytischen und emotionalen Aspekte sollten berücksichtigt werden? Viel zu oft benutzen Historiker_innen die Thematisierung von sexueller Gewalt und Vergewaltigung dafür, Aufmerksamkeit zu erregen. Wir wollen diskutieren, wie über Sexualität geforscht werden kann, ohne die Protagonist_innen zu Objekten zu degradieren.

Besonders interessiert sind wir an Fragen der Stigmatisierung und von Tabus. Denn, allgemein gesprochen, fühlen sich viele Menschen unangenehm berührt, wenn es um die Geschichte von Sexualität geht. Diese Stigmatisierung ist einer der wichtigsten Gründe dafür, das erst jetzt erstmals eines solche Konferenz stattfindet. Aber was genau wird stigmatisiert? Welche Bereiche sind besonders stigmatisiert? Die Anthropologin Christine Helliwell hat dargelegt, dass die Brutalität sexueller Gewalt diskursiv konstruiert wird, sie hat vorgeschlagen, dass Feminist_innen reflektieren sollten, was sie als ‚schrecklich‘ und ‚schandhaft‘ einstufen. Unsere Konferenz will genau diese Punkte diskutieren, ihnen allerdings das ‚Erregungspotenzial‘ und das ‚Skandalmoment‘ nehmen.

Ein weiteres wichtiges Ziel ist die Inklusion von queeren Perspektiven. Wie können wir eine aussagefähige queere Geschichte des Holocaust schreiben? Die Konferenz möchte auch heteronormative sexuelle Machtverhältnisse kritisch hinterfragen und aufheben, damit anders über bestimmte transgressive Taten und Biografien gesprochen werden kann und um aufzuzeigen, wie die Stigmatisierung von bestimmten Formen des sexuellen Verhaltens im Holocaust überhaupt entstanden ist.

Das Bild auf unserer Webseite stammt von Eli Lesklý (mit freundlicher Genehmigung von LAMOTH). Es zeigt den schwulen Clown und Damenimitator Harry Heymann, Spitzname Hambo. Hambo wurde 1907 in Berlin geboren, 1934 flüchtete er nach Dänemark, neun Jahre später wurde er nach Theresienstadt deportiert. Lesklýs Zeichnung aus Kriegstagen – nach 1945 noch einmal neu gezeichnet – zeigt Hambos ‘Tuntigkeit’ (Campness), aber auch die allgegenwärtige Homophobie, der eine_r in der Gefangenengesellschaft ausgesetzt war.

Podiumsdiskussion („Warum eine Sexualitäts-Geschichte des Holocaust?“) am 8. Dezember, 18 Uhr im Gorki Theater. Mehr informationen hier.

Weitere Informationen zur Konferenz in Schwanenwerder finden sich hier.