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Lesung: »Sag es niemand, möchte gern mal allein mit Dir sein!« Manfred Callsen liest Briefe von Siegfried Wagner

9. March 2017 19:00

Vor einigen Jahren tauchte in einem Münchner Antiquariat ein Konvolut von über vierzig Briefen Siegfried Wagners an den Gymnasiasten und späteren Dirigenten Werner Franz auf, der nach seinem Abitur in Berlin Musik studierte. Dem Konvolut beigefügt war folgendes Typoskript:

„Als ich Siegfried Wagner im Februar 1922 vor einer Orchesterprobe mit den Philharmonikern in Berlin kennen lernte, war ich ihm kein Fremder mehr. Uns verband, wenn ich so sagen darf, bereits seit zwölf Monaten eine rege Korrespondenz. Der Danziger Musikerverband veranstaltete 1921 – ich drückte damals die Schulbank der Oberprima – ein Wagnerkonzert, das etwa 120 Musiker unter dem Taktstock Siegfrieds vereinigte. Damals schon, wie heute noch, einer Kunstanschauung huldigend, deren Inhalt und Leitstern Richard Wagner hieß, schrieb ich in der Nacht nach dem Konzert einen begeisterten Brief an den Erben von Bayreuth und erzählte auch darin von meinen Plänen, Dirigent werden zu wollen. Wenige Tage darauf hielt ich ein Schreiben in der Hand und las mit stolzer Freude: Absender Wagner, Bayreuth, Wahnfried. Dieses erste Schreiben Siegfrieds enthielt die Worte: „Solch jugendlicher Enthusiasmus ist ein schönes Ding! Wahren sie sich es nur für das ganze Leben!” […] Von nun an hielt Siegfried Wagner seine schützende Hand über meiner weiteren künstlerischen Entwickelung. […] Im Frühjahr 1924 flatterte mir das große Los in Gestalt einer Postkarte ins Haus. Siegfried Wagner teilte mir mit, dass ich als Volontär und Bühnenassistent zu den Festspielen kommen und dort an den Proben teilnehmen dürfte. Ich vergesse nicht den Augenblick, als Siegfried das gesamte Personal auf der Bühne des Festspielhauses sich versammeln ließ, um an sie die Worte zu richten: ‚Leben wir nicht in einer Zeit, die alles Andere gebietet als Feste feiern? Und doch: Festspiele! Ich fasse den Sinn anders, ich empfinde sie als Befestigungsspiele! Befestigungsspiele für den Geist, für den Deutschen Geist!’“

Die Briefe Siegfrieds an sein „lieb Wernerchen” sind eines der wenigen erhaltenen und heute zugänglichen Dokumente zu Siegfrieds Beziehung(en) zu jungen Männern. Alle anderen Schriftstücke sind entweder vernichtet oder der Öffentlichkeit verschlossen.

Im Rahmen der Ausstellung „Siegfried Wagner: Bayreuths Erbe aus andersfarbiger Kiste“ wird der Schauspieler Manfred Callsen erstmals öffentlich Auszüge aus diesen Briefen lesen.

Der Abend wird eingeleitet und moderiert von Peter P. Pachl, Biograf Siegfried Wagners und Mit-Kurator der Ausstellung.

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