„Ich will erzählen, wie es vor zwanzig Jahren war. Die Pioniere der türkischen LGBT-Bewegung kamen aus der Trans-Community. Als ich zum ersten Mal in der Gegend um den Taksim ausging, lernte ich Leute kennen, die so waren wie ich. Als ich gerade anfing, diesen Traum zu genießen, passierte der Staatsstreich vom 12. September. Der Militärputsch unterbrach unsere Leben. Zu dieser Zeit verdienten viele feminine Homosexuelle und Transpersonen ihren Lebensunterhalt als Sänger_innen auf der Bühne. Einige waren auch Sexarbeiter_innen. Die Räume für Transpersonen waren damals, wie auch schon vor den Achtzigern, sehr eingeschränkt. Es gab ein paar Clubs und Bars, und dann gab es noch die Abanoz-Straße, wo biologisch weibliche Personen und Transpersonen arbeiteten. Die Transpersonen hatten außerdem einige Straßenstriche in Harbiye übernommen und fingen an, sich von dort aus auszubreiten. Noch vor der Ülker-Straße hatten Transpersonen zum ersten Mal seit 1985 eigene Viertel gebildet. Zu dieser Zeit war es sogar möglich, Kunden in den Clubs oder auf der Straße zu finden. Später dann nahmen sie die Kunden mit nach Hause und diese Straße wurde ein offenes Bordell.“
Demet Demir ist eine türkische Aktivistin, die seit den 1980er Jahren für die Rechte von Transmenschen eintritt. Nach dem türkischen Militärputsch von 1980 wurde sie mehrfach inhaftiert und gefoltert. Sie war Teil des Kampfes um gesetzlich festgeschriebene Rechte für Transpersonen und trat 1999 bei den Kommunalwahlen als Kandidatin an. Demet gehörte zu den Verantwortlichen einer Bewegung für den Schutz und die Aufrechterhaltung des Ülker-Sokak, einem Viertel im Stadtzentrum von Istanbul, das Transgender, Schwule und Cis-Frauen als Sexarbeiter_innen beherbergte. Sie war außerdem aktiv an der Verbreitung von Lubunca beteiligt, einem Trans-Slang, der dem Schutz der Menschen in Ülker Sokak dient. Lubunca hat seine Wurzeln im Romani und im Griechischen und entstand aus der Notwendigkeit, die Gespräche rund um die Sexarbeit zu tarnen zu müssen. Während ihrer Zeit in Berlin verfasste Demet zusammen mit [ihren Freund_innen] Koray Yılmaz-Günay und Ulaş Yılmaz ein Lubunca-Wörterbuch, das mehr als 400 Wörter enthält. In der Ausstellung „ğ – queere Formen migrieren” findet sich ein QR-Code, der zu einer von Ulaş Yılmaz entwickelten Smartphone-App zu Demets Lexikonprojekt führt. Wir freuen uns, zusammen mit den Ausstellungsbesucher_innen die Form dieses historischen Slangs in die heutige digitale Umgebung migrieren zu können. Am 16. April wird Demet Demir einen biografischen Vortrag über Lubunca halten. Der Vortrag wird auf Türkisch mit englischer Übersetzung stattfinden.