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Who(se) Care(s). Kuratieren – Re-Produktives Kümmern. Kritisch, Feministisch, Queer

12. Oktober 2018 11:30

ZWEITÄGIGES SYMPOSIUM
Freitag 12. Oktober, 12.30 Uhr bis 22.00 Uhr
Samstag, 13. Oktober, 11.00 Uhr bis 21.00 Uhr

Lässt sich Widerstand sammeln? Kann eine_r Sorge(n) zeigen? Darf Aktivismus kuratiert werden? Welche Allianzen sind vertretbar? Wie der Erschöpfung und der Instrumentalisierung entgehen? Welche unwahrscheinlichen Begegnungen und erfreulich überraschenden Konstellationen sind möglich?

Kuratieren kommt vom lateinischen „curare“ – „pflegen, für etwas sorgen“, aber auch „etwas besorgen“. Das zweitägige Symposium Who(se) Care(s). Kuratieren – Re-Produktives Kümmern. Kritisch, Feministisch, Queer ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Schwulen Museum Berlin und der Dissertierendengruppe Kunst und Bildung der Akademie der bildenden Künste Wien und geht Fragen der Handlungsmacht und kritischen Potentiale von alternativen, vor allem feministischen, queeren, kollektiven kuratorischen Praxen nach. Thematisiert werden unter anderem das Jahr der Frau_en am Schwulen Museum Berlin, Sexual Activism in der Clubszene, digitale Feminismen, radikale Salonièren, Frauensfriedensaktivismus oder feministische Gesundheitsbewegungen. Diese Fragen werden diskutiert vor dem Hintergrund einer ebenso gefeierten wie kritisierten Definitionsmacht von Kurator_innen bei gleichzeitig steigender neoliberalisierter Dauerwettbewerbsförmigkeit von Gedanken, Gefühlen, Konzepten, Ideen, Projekten. Der Deutsche Museumsbund definiert das Berufsbild Kurator_in mit fünf Arbeitsbereichen: „Erhaltung, Ausbau, Forschung, Präsentation der Sammlungen und Management“. Der Aspekt der Sorge wird damit eher in einem bürokratischen Sinn als verwalten oder managen verstanden und zudem mit dem Aspekt der „Präsentation“ ein Spannungsfeld zwischen Administration und Kreativität eröffnet. Während historisch genau die administrativen, auf die Sammlungen bezogenen Tätigkeiten das Berufsbild viel mehr bestimmten, als die kreativen, werden heute Kurator_innen vor allem als mehr oder weniger genialische Ausstellungsmacher_innen wahrgenommen, machtvolle „agenda setter“, Autor_innen von einflussreichen Narrativen, die gesellschaftliche Diskurse anstoßen bzw. in diese eingreifen können. Abgesehen davon, dass das auch eine masslose Überschätzung des kulturellen Sektors sein könnte: Dass der Aspekt der Pflege, der Fürsorge, der Betreuung ausgeblendet wird, ist kein Zufall. Denn der genialische Kurator ist nicht nur die Kopie des genialischen Künstlers, ebenso angefochten wie dennoch beherrschende Figur der Kunstwelt, sondern auch ein Verwandter des „homo oeconomicus“, der nach wie vor in den ökonomischen Standardmodellen herumgeistert. Es sind Modelle, die strukturell und schweigend Gewalt ausüben, indem sie reproduktive Arbeit systematisch verhehlen und damit die Voraussetzungen ökonomisch erfasster Produktivität . Der einsame Held Robinson Crusoe – ein Mensch also in einer absoluten Ausnahmesituation – steht damit nicht nur Modell für das Subjekt der klassischen Ökonomie, sondern für das „autonome Individuum“ schlechthin, für das die Verleugnung von Dependenz und Bedürftigkeit, Körperlichkeit und Kollektivität konstitutiv ist. Dass die Karriere der Figur des Kurators schon zu Ende scheint, ehe sie richtig begonnen hat – sie wird sowohl theoretisch dekonstruiert wie praktisch von „innovativen“ kuratorischen Arbeitsweisen zugunsten kooperativer, kollektiver und interdisziplinärer Verfahren in Frage gestellt und abgelöst – mag vielleicht auch der Feminisierung des Berufsbildes geschuldet sein. Die Kuratorin erscheint als Pflegekraft des kulturellen Sektors, während die männlichen Kollegen derweil nach wie vor die Direktorenposten besetzt halten. Wer hat eine Stimme? Wer erhebt seine Stimme? Wer gibt wem (s)eine Stimme? Wie lassen sich Räume für unwahrscheinliche Begegnungen öffnen und langfristig erhalten? Und, was wiederum blenden diese Ansätze aus? Welche Rolle spielen Körper und Kollektivität in diesen Strategien? Wie steht es hier mit der Arbeitsteilung? Wer macht die reproduktive Hausarbeit der künstlerisch/kuratorischen Produktivität? Was genau wäre das? Was hat die ganze Debatte mit Feminismus zu tun und/oder mit Queerness? Und wie ist es zu bewerten, dass kritische Verfahren im kulturellen Sektor relativ harmonisch adaptiert, nahezu absorbiert, werden, während in der „wirklichen“ Welt die alten und jungen Herren weiter regieren? Ausgehend von diesen Fragen befasst sich das Symposium Who(se) Care(s). Kuratieren – Re-Produktives Kümmern. Kritisch, Feministisch, Queer mit künstlerischem Agieren, kuratorischem Handeln und politischem Denken, welches nachhaltig marginalisierte Positionen zu vertreten und institutionelle Machtstrukturen zu unterminieren sucht.

Vorbereitet von Birgit Bosold, Lena Fritsch, Vera Hofmann, Elke Krasny

Eintritt für beide Tage 7,50 Euro.

Das Symposium ist Teil des Jahresprogramms Jahr der Frau_en – eine konzertierte queerfeministische Intervention. Das Jahr der Frau_en wird gefördert von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa.