Warum gerade Thomas Mann im Schwulen Museum? Thomas Mann gehörte 1922 zu den Unterzeichnern der Hirschfeld-Petition zur Abschaffung des § 175 Reichsstrafgesetzbuch. Er war, wie kaum ein anderer Schriftsteller des 19. und 20. Jahrhunderts, eine Identifikationsfigur für homosexuelle Männer.
Mit der Thomas Mann-Ausstellung erfüllt das Schwule Museum einen immer wieder, vor allem von älteren Besuchern geäußerten Wunsch, Homosexualität als Kulturleistung zu würdigen. In der bekannten Form der Hommagen-Reihe nimmt sich der Kurator Wolfgang Theis dem Leben und Werk Thomas Manns liebevoll kritisch an.
Thomas Manns Homosexualität war dem gebildeten Urning nicht verborgen geblieben. Seine 1912 erschienene Novelle Tod in Venedig ist fester Bestandteil des schwulen Bildungskanons. Thomas Mann hat seine Homosexualität nie ausgelebt, sondern sublimiert. Dieser Kulturleistung ist ein umfangreiches Werk voller Anspielungen und Verweise zu verdanken. Vor allem in Zeiten gesellschaftlicher Unterdrückung diente dieses Werk der Selbstversicherung homosexueller Identität.
Die Ausstellung zeigt Thomas Mann im Kreise seiner Familie. Gleich drei seiner Kinder: Erika, Klaus und Golo teilten sein eigenes Triebschicksal, lebten es aber, anders als der Vater, mehr oder weniger öffentlich. In diesem familiären Spannungsfeld entstand ein umfangreiches erzählendes und essayistisches Werk, das sich auch immer wieder mit der Homosexualität auseinandersetzt. Beleuchtet wird der Bruderzwist mit Heinrich Mann, das Ringen um die Weimarer Republik, der Kampf gegen Hitler im Exil und die Nachwirkungen seines Werkes in Literatur, Film und Fernsehen.
Der erste Raum des Museums ist der Literatur und der Mannschen Familiengeschichte gewidmet. Die Hauptwand, mit Zitaten und Bildern von Familienmitgliedern bestückt, korrespondiert mit einer Raumcollage aus Porträts – hundertfach blickt Thomas Mann streng auf das Geschehen. Flankiert von Säulen, die Katia und Heinrich zeigen. Die Raumachse wird von einer Zeichnung Heinrich Manns beherrscht, die dralle Weiblichkeit zelebriert, und von einem ebenfalls wandhohen Zitat aus dem 1925 erschienenen Traktat Über die Ehe komplettiert. Dazwischen hängen Fahnen mit Zitaten aus dem Werk. Eingestreut sind Fotografien, Bücher und Skulpturen.
Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Thomas Manns Tagebücher. In einer Installation wird das eruptive Glück einer späten „Erfüllung“ verdrängter Wünsche gefeiert. Sie zeigen Thomas Mann als mutigen Bekenner einer späten Leidenschaft, die er der Nachwelt nicht vorenthielt. Durch die Tagebücher hat er sich nachdrücklich zu seinen homosexuellen Bedürfnissen bekannt.
Der zweite große Raum ist ganz der Rezeption des Werkes gewidmet. Hier geht Thomas Mann ins Kino, hier werden die Verfilmungen seiner Romane vorgestellt, der politische Autor gewürdigt, seine Vorbilder zitiert und die Fülle der Sekundärliteratur ausgebreitet. Beschlossen wird der Rundgang durch liebevolle, verehrende, kritische und auch abfällige Bemerkungen von Zeitgenossen und Kollegen.
Gezeigt werden Exponate aus dem Nachlass von Heinrich Mann – Akademie der Künste, Berlin. Das Deutsche Historische Museum, Berlin stellt Büsten von Philosophen und Dichtern zur Verfügung. Zu sehen sind Fotos und Plakate zu Thomas Mann-Verfilmungen aus dem Filmmuseum Berlin. Weitere Exponate stammen aus der Monacensia, München und aus privaten Sammlungen. Auch der Fischer Verlag, Frankfurt beteiligt sich mit Leihgaben an der Ausstellung.
Kurator: Wolfgang Theis