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Aufarbeiten: Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Zeichen von Emanzipation

5. Oktober 2023 – 26. Februar 2024

Eröffnung: 5. Oktober 2023, 19 Uhr
Laufzeit: 6.10.2023 – 26.02.2024

Das Schwule Museum und das Archiv der deutschen Jugendbewegung setzen sich in einer gemeinsamen innovativen Ausstellung mit ihrem schwierigen Erbe auseinander: dem unkritischen Umgang mit Zeugnissen der Rechtfertigung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in den eigenen Beständen.

Die gemeinsame Ausstellung „Aufarbeiten: Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Zeichen von Emanzipation“ des Schwulen Museums und des Archivs der deutschen Jugendbewegung versteht sich als Projekt der selbstkritischen Auseinandersetzung mit problematischen Teilen ihrer Sammlungen. Das Schwule Museum (SMU) und das Archiv der deutschen Jugendbewegung (AdJb) sind zentrale Gedächtnisorte von emanzipatorischen Bewegungen, die teils gemeinsame, teils entgegengesetzte Wege einschlugen. Doch in beiden Archiven befinden sich Zeugnisse der Rechtfertigung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in diskursiven Dokumenten und Artefakten.

Beide Institutionen haben sich einer konsequenten Aufarbeitung des verstörenden Tatbestands verschrieben, dass die Gemeinschaften, deren Erbe sie bewahren, sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche Raum boten und ihrer Verharmlosung oder ideologischen Rechtfertigung zuarbeiteten. Die Ausstellung will einen Beitrag zur Auseinandersetzung damit leisten. Sie stellt zur Diskussion, wie es möglich war, dass Bewegungen, deren Kernanliegen die Selbstbestimmung von Menschen ist, so anfällig waren für die Rhetoriken der Täter*innen, so unsolidarisch mit den Betroffenen und beklemmend desinteressiert an deren Schicksal.

Als kulturhistorische Einrichtungen sehen es beide Institutionen als ihre besondere Aufgabe, die spezifischen und unterschiedlichen diskursiven Formationen zu rekonstruieren, die sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Kontext der homosexuellen und der jugendbewegten Emanzipationsbewegungen theoretisierten, ästhetisierten und damit legitimierten. Sie handeln damit ausdrücklich im Sinne der Forderungen von Betroffenen und ihren Verbänden, Aufarbeitung nicht auf die strafrechtliche Verfolgung von Täter*innen zu reduzieren, sondern gesellschaftliche Zusammenhänge in den Blick zu nehmen. Dies geschieht aus eigener Initiative im Interesse einer verantwortungsbewussten Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte.

Das Projekt nutzt das Format einer Ausstellung, um damit eine breite Öffentlichkeit und die involvierten Communities zu erreichen. Weil es historische Forschung und kollektive Aushandlungen bisher erst in Ansätzen gibt, kann die Ausstellung kein gesichertes Resümee präsentieren. Vielmehr wird thesenhaft zugespitzt zur Diskussion gestellt, wie dieses verstörende Kapitel der eigenen Geschichte in Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung eingearbeitet werden kann.

Die Ausstellung wird am 5. Oktober 2023 im Schwulen Museum eröffnet und läuft bis zum 26. Februar 2024. Präsentiert werden Exponate aus den Beständen der beiden Archive. Es wird darauf verzichtet, die in der visuellen Kultur so einschlägig normalisierten und normalisierenden Darstellungen sexualisierter Körper von Kindern und Jugendlichen auszustellen. Im Zentrum der Ausstellung stehen vielmehr dokumentarisches Material und die Stimmen von Betroffenen von sexualisierter Gewalt.

 

Kuratiert von: Dr. Birgit Bosold (SMU), Dr. Susanne Rappe-Weber (Archiv der deutschen Jugendbewegung, AdJb), Dr. Tino Heim & Dr. Volker Woltersdorff.

Gefördert vom Hauptstadtkulturfonds Berlin und der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs.

 

Foto: Chezweitz/SMU

 

 

Distanzierung ist noch keine Aufarbeitung. „Pädoaktivistische“ Strömungen in der emanzipatorischen Schwulenbewegung (1970er-1990er)

Unter diesem Titel fand am 13.1.2024 im Rahmen der Ausstellung „Aufarbeiten“ ein nicht-öffentlicher Workshop statt. Organisiert von uns Kurator*innen der Ausstellung, waren Akteur*innen eingeladen, die auf unterschiedliche Art in die Entwicklungen der damaligen Zeit involviert waren. Es ging uns darum, einen offenen Austausch zu ermöglichen, der vor allem Fehler und Irrtümer in den Blick nimmt. Diese Veranstaltung war für uns als Kurationsteams ein erster Anstoß eines längeren Prozesses.
Wir dokumentieren hier für Interessierte ein mit allen Beteiligten abgestimmtes, zusammenfassendes Protokoll des Workshops.

Birgit Bosold, Tino Heim, Volker Woltersdorff, Kurator*innen Ausstellung „Aufarbeiten“